75 Jahre Museum (am) Ostwall

Seit 75 Jahren präsentiert das heutige Museum Ostwall — oder kurz MO — als Museum der Stadt Dortmund für moderne und zeitgenössische Kunst den Dortmunder*innen spannende Ausstellungen und Programme.

Die erste Ausstellung des Dortmunder Künstlerbundes im Museum Ostwall wurde am 26. Januar 1949 eröffnet.

1949, vor genau 75 Jahren, erlebte das „Museum am Ostwall“ seine Geburtsstunde. Auf den Grundmauern des während des Zweiten Weltkriegs völlig zerstörten Museums für Kunst und Kulturgeschichte wurde es am namensgebenden Ostwall neu errichtet, um von nun an moderne Kunst zu zeigen und zu sammeln. Die erste Ausstellung zeigte „Malerei, Graphik, Plastik“ von Mitgliedern des Dortmunder Künstlerbundes (26. Januar – 01. März 1949). An der Spitze stand mit Dr. Leonie Reygers (1905 – 1985) die erste Frau, die in der noch jungen Bundesrepublik ein Kunstmuseum leitete.

Seit seiner Gründung ist viel passiert: Die Sammlung des MO umfasst heute rund 7.500 Werke, der Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts. Expressionismus, Informel, Zero und Fluxus, Nouveau Réalisme, Konkrete Poesie und zeitgenössische Kunst im Bereich Fotografie und Videoinstallationen bilden ihren Schwerpunkt. Die Verbindung von Kunst und Leben steht in Wechselausstellungen und Programm genauso im Fokus wie aktuelle gesellschaftliche Fragestellungen. Nach 60 Jahren am alten Standort am Ostwall ist das MO seit 2010 im Dortmunder U beheimatet.

Anlässlich seines 75. Geburtstags blickt das MO zurück auf seine Geschichte — und nach vorn: Das ganze Jahr über laden wir zu einem besonderen Jubiläumsprogramm ein. Höhepunkt ist das große Jubiläumsfest am 19. Mai 2024 anlässlich des Internationalen Museumstags.

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1945 – Der Zweite Weltkrieg endet am 8. Mai. Der Innenstadtbereich Dortmunds ist zu mehr als 90% zerstört. Zu den bis auf die Grundmauern zerstörten und völlig ausgebrannten Häusern gehört das am Ostwall liegende Museum für Kunst und Kulturgeschichte. Dr. Leonie Reygers, damals stellvertretende Leiterin des Museums, hat den Kunstbestand vor Beginn der Luftangriffe nach Schloss Cappenberg auslagern und damit retten können. Aus der Museumsruine am Ostwall soll nun ein Ausstellungshaus entstehen.

1947 – Leonie Reygers betreut maßgeblich den vom Dortmunder Rat beschlossenen Wiederaufbau des Museumsgebäudes und erhält den Auftrag, kleinere Ausstellungen zu veranstalten. Am 11. November erhält das „Haus am Ostwall“ den Status einer selbständigen Institution.

1949 – Das Museum am namensgebenden Ostwall zeigt im Januar zum ersten Mal eine Ausstellung in der teilerschlossenen Ruine, im Lichthof und im Erdgeschoss der Nordseite in den ersten fünf eingerichteten Kabinetten des zweigeschossig angelegten Gebäudes: Sie präsentiert Arbeiten des Dortmunder Künstlerbundes und im April 1949 folgt eine Hermann-Blumenthal Retrospektive. Die inhaltliche Neuausrichtung der Museumsarbeit konzentriert sich auf die Präsentation und Vermittlung moderner Kunst.

1951 – Die Vereinigung „Freunde Neuer Kunst“ wird aus einem Kreis kunstinteressierter Menschen aus Dortmund, dem weiteren Ruhrgebiet und dem Münsterland gegründet. Im Mai adressieren sie an die kulturpolitischen Entscheidungsträger in Dortmund eine „Denkschrift zum Ausbau des Ostwallmuseums“.

1954 – Die Staatliche Museumspflege für Westfalen-Lippe empfiehlt den Aufbau einer eigenständigen Sammlung.

1956 – Das Museumsgebäude am Ostwall wird fertiggestellt und eingeweiht.

1957 – Die „Sammlung Gröppel“, eine von dem Bochumer Unternehmer Karl Gröppel gemeinsam mit seiner Frau Irene aufgebaute Kunstsammlung mit vielen expressionistischen Arbeiten, kann dank eines großzügigen privaten Darlehens angekauft werden. Sie umfasst Gemälde, Arbeiten auf Papier sowie Plastiken unter anderem von Alexander Archipenko, Max Beckmann, Heinrich Campendonk, Carl Hofer, Oskar Kokoschka, Käthe Kollwitz, Hellmuth Macke, Paula Modersohn-Becker, Wilhelm Morgner, Heinrich Nauen, Christian Rohlfs sowie sechs Glaskunstfenster von Jan Thron Prikker, die dieser für die Bochumer Villa der Gröppels geschaffen hatte.

1958 – Das Museum für Kunst und Kulturgeschichte überlässt dem Museum am Ostwall alle ab 1900 geschaffenen Werke.

1960 – Die „Stiftergesellschaft zur Förderung des Museums am Ostwall in Dortmund“ wird gegründet. Ebenso wie durch die „Freunde Neuer Kunst“ unterstützen sie den Aus- und Aufbau der Museumssammlung.

1961 – Im Museum am Ostwall wird die erste Kindermalstube in einem deutschen Museum gegründet.

1966 – Die „Stiftergesellschaft zur Förderung des Museums am Ostwall in Dortmund“ übereignet der Stadt Dortmund die von ihr gesammelten Werke, u. a. Gemälde und Skulpturen des Expressionismus und der Klassischen Moderne, z. B. von Jawlensky, Pechstein, Kollwitz Laurens, Mataré, Kandinsky und Beckmann.

1967 Eugen Thiemann wird Direktor des Museum am Ostwall. Er bildet neue Sammlungsschwerpunkte aus: Werke junger Künstler*innen aus Deutschland und Italien, Informelle Kunst, Environments, ZERO und schließlich in den 1980er Jahren die „Neuen Wilden“. Bereits in den 1960er Jahren finden unter Eugen Thiemann regelmäßig Ausstellungen mit raumgreifenden Installationen und Environments statt. Das Museum am Ostwall avanciert zu einem Hot Spot für neue Kunstformen.

1988Ingo Bartsch übernimmt die Direktion des Museums. Mit ihm ziehen zahlreiche Werke des Fluxus und Happening in die Sammlung ein, bis heute einer der Sammlungsschwerpunkte des MO. Viele der erworbenen Werke, unter anderem von Robert Filliou, Dieter Roth oder Wolf Vostell gehören mittlerweile zu den Klassikern der Fluxus-Kunst. Die zuvor von Thiemann als Dauerleihgabe für das Museum gewonnenen Werke aus der „Sammlung Feelisch“ können unter Bartsch angekauft werden und die umfassende Sammlung des Düsseldorfer Kunstprofessors Siegfried Cremer gelangt zu Beginn der 1990er Jahre als willkommene Ergänzung in das MO.

2001 – Es erfolgt der Zusammenschluss der „Freunde Neuer Kunst“ und der „Stiftergesellschaft zur Förderung des Museums am Ostwall in Dortmund“ zu dem bis heute tätigen Verein „Freunde des Museums am Ostwall“.

2005 — Als neuer Direktor greift Prof. Dr. Kurt Wettengl Leonie Reygers‘ Idee auf, das Museum an aktuellen gesellschaftlichen Diskussionen zu Themen wie Stadtraum oder Migration zu beteiligen. Wettengl versteht das „Museum als Kraftwerk“, das als ein lebendiger Ort und gleichzeitig als Speicher eines kulturellen Gedächtnisses wirkt und zeigt sich offen gegenüber Impulsen aus der Stadtgesellschaft. Unter Wettengl gelangen mehrere hundert Werke und Dokumente, vor allem der US-amerikanischen Fluxus-Bewegung aus der „Sammlung Braun/Lieff“ als Dauerleihgaben in das Museum. Weitere bedeutende Werke, Dokumente und Objekte aus der Sammlung Feelisch kommen in die Sammlung. 2016 erhält das MO die Dieter Roth Sammlung Horst und Kirsten Spankus — der Schwerpunkt Fluxus und verwandte Kunstformen kann weiter ausgebaut werden.

2009 – Am alten Standort am Ostwall wird die Abschiedsausstellung Museum in Bewegung. Vom Ostwall zum U gezeigt.

2010 – Nach mehreren Jahren der Planung und Vorbereitung zieht das Museum in das denkmalgeschützte ehemalige Gebäude der Union-Brauerei um, das als Dortmunder U – Zentrum für Kunst und Kreativität, weitere Institutionen beherbergt. Das Museum erhält einen neuen Namen: „Museum Ostwall im Dortmunder U“. Die Eröffnungsausstellungen sind 2010 Bild für Bild. Film und zeitgenössische Kunst aus der Sammlung des Centre Pompidouund Das Museum als Kraftwerk. Die neue Sammlungspräsentation.

Seit 2010 bespielt das Museum Ostwall die Ebene 4 und 5 mit seiner Sammlung unter wechselnden Themen und zeigt auf der großen Sonderausstellungsfläche des Dortmunder U, der Ebene 6, thematisch und monographisch ausgerichtete Ausstellungen moderner und zeitgenössischer Kunst in Kooperation mit regionalen und internationalen Partner*innen.

2014 – Die „Freundes des Museums Ostwall“ rufen den anfangs mit 10.000 €, aktuell mit 20.000 € Ankaufssumme dotierten und jährlich vergebenen MO_Kunstpreis Follow me Dada and Fluxus ins Leben.

2017 — Der Niederländer Edwin Jacobs übernimmt die Direktion des MO und bringt neue Impulse für die thematische Ausrichtung der Schausammlung und für aufmerksamkeitsstarke Sonderausstellungen. Im Fokus der Sammlungspolitik sind seitdem bisher in der Sammlung deutlich unterrepräsentierte weibliche und außereuropäische Positionen.

2022Regina Selter und Dr. Florence Thurmes übernehmen als weibliche Doppelspitze die Direktion des MO. Sie setzen neue Akzente in der Sammlungspräsentation und bauen Netzwerke und Kooperationen für eine zukunftsweisende Museumsarbeit auf. Mit den Sonderausstellungen FLOWERS! und Nam June Paik: I Expose the Music präsentiert das MO internationale künstlerische Positionen in enger Anbindung an die eigene Sammlung.

2023 – Es wird ein Beirat gegründet, der mit acht Personen besetzt verschiedene Perspektiven der Stadtgesellschaft in die museale Arbeit einfließen lässt. Gemeinsam mit dem Museumsteam berät der MO_Beirat über Sammlungsthemen und Präsentationsformen der Sammlung, um diese für ein breites Publikum zugänglicher zu machen.

2024 — Als alleinige Direktorin leitet Regina Selter seit diesem Jahr das Museum mit einem 20-köpfigen Team. Gemeinsam mit Peter Gorschlüter, Museum Folkwang, ist sie Sprecherin der RuhrKunstMuseen. Aktuelle gesellschaftliche Fragestellungen und das Selbstverständnis als Institution mit einem Bildungsauftrag bilden die Grundlage für die Sammlungs- und Ausstellungskonzeption. Regina Selter und das MO-Team erarbeiten ausgehend von der eigenen Sammlung generationenübergreifende Programme für eine diverse Stadtgesellschaft.

Das 75. Jubiläum ist für das Museum mit Blick auf das Gestern, Heute und Morgen ein willkommener Anlass zur Reflexion der eigenen Arbeit.

Die in den 1950er Jahren erarbeitete Konzeption des Museums, Ausstellungshaus sowie „Pflegestätte“ einer eigenen Sammlung von moderner Kunst unter Einbezug von privaten Leihgaben oder Stiftungen zu sein, ist eine wesentliche Grundlage für die zukünftige Museumspolitik. Die Auseinandersetzung mit der lokalen wie internationalen Gegenwartskunst in den vergangenen Jahrzehnten wird ebenso fortgesetzt wie die lebensnahe Vermittlung zeitgenössischer künstlerischer Positionen. Wir verstehen das Museum als einen Handlungsraum mit gesellschaftlicher Verantwortung, insbesondere für die vielfältige Dortmunder Stadtgesellschaft. Jenseits von Repräsentation ist es auch ein Ort, an dem Fragen des Zusammenlebens, die Auseinandersetzungen und die Zukunft der Gesellschaft reflektiert werden. Das soll sich nicht nur in unseren Ausstellungen, sondern zukünftig auch immer mehr in der Sammlung widerspiegeln: Die Vielstimmigkeit unserer Welt findet in Neuankäufen ebenso Platz in unseren Ausstellungen.

Gleichzeitig verstehen wir das Museum als einen Ort, der Experimente, Unerwartetes und Spielerisches zulässt – und dessen Besuch durchaus Spaß machen darf. Wir möchten, dass das MO ein Ort der Zusammenkunft ist. Als öffentlicher Ort ist es immer auch Diskurs-, Erfahrungsraum und ein Treffpunkt für Menschen.

Feiert mit uns!
Das Jubiläumsfest am 19. Mai 2024

Am 19. Mai, dem Internationalen Museumstag, heißt es von 12 bis 22 Uhr im Museum Ostwall im Dortmunder U: Willkommen zur Geburtstagsfeier! Es gibt Musik und kostenfreie Mitmach-Aktionen in der Sammlungspräsentation Kunst à Leben à Kunst. Das Museum Ostwall gestern, heute, morgen und freien Eintritt in die Sonderausstellung Kopfüber in die Kunst. Ab 18 Uhr feiern wir mit euch im Foyer des Dortmunder U mit Musik, Drinks und Geburtstagstorte!

Die Ausstellungen im Jubiläumsjahr

Neben zahlreichen Veranstaltungen und Aktivitäten zum Mitmachen stellt das MO im Verlauf des Jubiläumsjahres in der Reihe MO_Schaufenster neue künstlerische Positionen vor und lädt zum Besuch von zwei Sonderausstellungen ein.

In der aktuellen Sammlungsausstellung Kunst – Leben – Kunst. Das Museum Ostwall gestern, heute, morgen schauen wir zurück auf die Gründungsjahre des MO. Wie prägen die Ideen und Konzepte von damals unsere Museumsarbeit heute? Eine Überlegung steht seitdem im Zentrum unserer Arbeit: Kunst stets im Bezug zum Menschen zu sehen und damit die Lebensnähe von Kunst an die Besucher*innen zu vermitteln. Bei freiem Eintritt können Interessierte in der Sammlungspräsentation auf Ebene 4 und 5 des Dortmunder U ganzjährig auf eine sinnliche und geistige Erkundungsreise gehen.


Bis zum 16. Juni 2024 werden im MO_Schaufenster #36 Lautfiguren des Multimedia-Künstlers Dani Gal gezeigt. Der 1975 in Jerusalem geborene Künstler hinterfragt mit besonderem Blick auf Sprache und Geschichte die mediale Konstruktion und Verbreitung eines kulturellen Gedächtnisses.

Als weitere Ausstellungen in der Reihe MO_Schaufenster wird am 4. Juli 2024 #37 Marcin Dudek: EKIPA eröffnet, in der sich alles um die Codes und Rituale von Fußball-Ultras und Hooligans dreht.

Das MO_Schaufenster #38 startet am 17. November 2024 anlässlich der Verleihung des MO_Kunstpreis „Dada, Fluxus und die Folgen“, den die Freunde des Museums Ostwall e.V. in diesem Jahr an Katja Sieber und Oliver Stuke verleihen.

Kopfüber in die Kunst heißt es im Jubiläumsjahr noch bis zum 25. August in der gleichnamigen großen Sonderausstellung für die ganze Familie. Raumfüllende Installationen, analog und digital, laden Erwachsene und Kinder in partizipative und interaktive Erlebniswelten ein. Extra für diese Ausstellung wurde der 1969 im Museum am Ostwall gezeigte Schaumraum des Künstlers Ferdinand Spindel rekonstruiert. Als immersive Installationen vermitteln der Schaumraum und die anderen Werke von Design I/O, Christian Jankowski und Joon Moon eine besondere Erfahrung, die alle Sinne anspricht. Der Ausstellungstitel Kopfüber in die Kunst wurde von Kindern ausgewählt und beschreibt passend, was in dieser Ausstellung passiert: Kleine und große Besucher*innen tauchen in die Kunst ein.

Künstlerinnen in Expressionismus und Fluxus „Tell these people who I am“ folgt vom 25. Oktober 2024 bis 23. März 2025 als zweite große Sonderausstellung auf der Ebene 6. Sie thematisiert die häufig übersehenen weiblichen Positionen in der Kunstgeschichte. Die in zwei Teile gegliederte Ausstellung ist von der Sammlung des Museum Ostwall inspiriert und nimmt diese gleichzeitig kritisch in den Blick. Im Expressionismus-Teil der Ausstellung stellen wir das künstlerische Schaffen von Else Berg, Renée Sintenis, Lotte Reiniger, Emma Schlangenhausen, Kitty Rix, Marta Worringer und Madame d’Ora vor, die in unterschiedlichen Genres arbeiteten und betrachten auch deren Rezeptionsgeschichte. Der Fluxus-Teil fokussiert die weiblichen Positionen dieser globalen Kunstbewegung. Bekannte Künstlerinnen wie Charlotte Moorman, Alison Knowles, Takako Saito und Performances von Carolee Schneeman sind ebenso Teil der Ausstellung wie die lateinamerikanischen Künstlerinnen Leticía Parente und Mónica Mayer. Mit Mako Idemitsu und Mieko Shiomi zeigt die Schau weibliche künstlerische Positionen der Fluxus-Bewegung aus Japan, die in Deutschland weitgehend unbekannt sind.

Hier findet ihr das Programm zum Jubiläumsjahr: