Kunst & Kohle: SchichtWechsel. Von der (bergmännischen) Laienkunst zur Gegenwartskunst
Bergbau und Kohle, die Arbeit unter Tage und der Alltag im Revier inspirieren Künstlerinnen und Künstler bis heute. Die Ausstellung „Kunst & Kohle: SchichtWechsel. Von der (bergmännischen) Laienkunst zur Gegenwartskunst“ im Museum Ostwall im Dortmunder U bildet das breite Spektrum der künstlerischen Beschäftigung rund um „Kohle“ ab: Sie beschäftigt sich mit dem Schaffen der malenden und zeichnenden Bergleuten in den 1950/60er-Jahren und blickt in die Gegenwart und Zukunft. Die Schau gehört zum Projekt „Kunst & Kohle“ der RuhrKunstMuseen: Ausstellungen zum Thema laufen zeitgleich in 17 Museen in 13 Städten der Metropole Ruhr. Es ist das größte städteübergreifende Ausstellungsprojekt, das je zu diesem Thema umgesetzt wurde. Edwin Jacobs, Direktor des Dortmunder U und des Museums Ostwall im U, ist Sprecher der RuhrKunstMuseen.
In den 1950er und 1960er-Jahren erlebte die bergmännische Laienkunst im Ruhrgebiet eine Blüte: Die kreative Betätigung der Bergleute wurde von Gewerkschaft und Montanindustrie gleichermaßen gefördert, und eine neue Generation von kunstschaffenden Laien aus Arbeitern und Angestellten trat hervor. Die neue Kulturpolitik gab ihnen Gelegenheit, ihren künstlerischen Neigungen nachzugehen und ihre Werke einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren.
Doch nicht nur Arbeitgeber und Gewerkschaften interessierten sich für Laienkunst – sondern auch Dr. Leonie Reygers, die Gründungsdirektorin des Museums am Ostwall. Sie sammelte Laienkunst, stellte sie aus und wirkte als Jurorin an den so genannten „Steckenpferdturnieren“ mit, den Ausstellungen der Mitarbeiter der Hoesch Werke AG. Ihr Interesse an der Kunstproduktion von Laien verband sie mit musemspädagogischem Engagement – u.a. gründete sie die erste Kindermalstube eines Museums in Deutschland.
Die Ausstellung „Kunst & Kohle: SchichtWechsel“ zeigt Gemälde, Papierarbeiten und Skulpturen von regionalen Laienkünstler, Werke Naiver Kunst aus dem Sammlungsbestand des Museums Ostwall sowie historische Dokumente.
Bis heute inspirieren Kohle, Bergbau und Transformationsprozesse der Region viele Künstlerinnen und Künstler in ihrer Arbeit. Daher präsentiert die Schau auch aktuelle kreative Bestrebungen um das Thema Kohle.
Die Ausstellung bildet damit das breite Spektrum der künstlerischen Beschäftigung aus unterschiedlichen Perspektiven ab – vom autodidaktischen bis zum akademisch ausgebildeten Kunstschaffenden.
Gezeigt werden Leihgaben und Sammlungsbestände der klassischen naiven Malerei (u. a. von Séraphine Louise und Ivan Rabuzin), der Bergarbeiterlaienkunst (u.a. von Erich Bödeker und Franz Brandes) sowie wichtige gegenwärtige Positionen (u. a. von Mohau Modisakeng, Reiner Ruthenbeck, Andreas Gursky, Alicja Kwade, Rirkit Tiravanija).
„Dieses gemeinsame Ausstellungsprojekt hat eine herausragende Bedeutung über die Region hinaus“, sagt Edwin Jacobs, Direktor des Dortmunder U und Sprecher der RuhrKunstMuseen. „Kohle hat die Region schon immer verbunden und verbindet uns weiterhin. Es ist phantastisch, dass das Museum Ostwall im Dortmunder U durch ,Kunst & Kohle‘ die Gelegenheit bekommt, auch seine eigene Geschichte museal zu reflektieren. Das Dortmunder U ist selbst ein starkes Beispiel für erfolgreichen Strukturwandel und bietet heute vielfältige Begegnungen mit Kunst und Kreativität.“
Gliederung der Ausstellung
Die Ausstellung gliedert sich in vier große Bereiche. Sie beginnt bei der Person der Gründungsdirektorin Leonie Reygers und führt über die von ihr geförderte und ausgestellte bergmännischen Laienkunst über einen „KohleKreativRaum“ bis zur Gegenwartskunst.
Die Gründungsdirektorin Dr. Leonie Reygers hatte in den 1950er Jahren einen Sammlungsschwerpunkt von Naiver Kunst als Teil der Kunst des 20. Jahrhunderts aufgebaut. Ihr Engagement für diese künstlerische Entwicklung war verbunden mit dem Leitgedanken der Förderung von Kreativität und Bildung für jeden. Parallel zu Leonie Reygers’ Interesse entstand im Ruhrgebiet eine neue Generation kunstschaffender Laien aus Werktätigen und Angestellten der Montanindustrie. Der gemeinsame Bildungsgedanke verknüpft die Laienkunstförderung im Bergbau und das Museumsverständnis von Leonie Reygers. Im ersten Teil der Ausstellung geben historische Dokumente und Fotografien, klassische naive Werke und Werke bergmännischer Laien den kulturellen Zeitgeist der 1950/60er Jahre wieder.
Mit dem Blick von heute ist es erstaunlich, dass die umfassende kulturelle, gesellschaftliche Bewegung der bergmännischen Laienkunst aus dem Ruhrgebiet scheinbar in Vergessenheit geraten ist. Welche Künstler sind uns heute noch aus dieser Zeit bekannt? Wer erinnert sich an die Ambitionen einer Museumsdirektorin für ein offenes Museum, das sich der Bevölkerung einer Arbeiterstadt geöffnet hat? Der erneute Blick von „SchichtWechsel“ auf die internationale Laienkunst und besonders auf die der 1950er und 60er-Jahre im Ruhrgebiet macht den offenen und kreativen Zeitgeist dieser Jahre wieder sichtbar.
Im Übergang zwischen dem historischen Bereich und der Gegenwartskunst können sich die Besucherinnen und Besucher im KohleKreativRaum selbst künstlerisch betätigen und sich Zeit für Kunst nehmen.
Auch Gegenwartskünstlerinnen und -künstler setzen sich mit dem Thema und Material „Kohle“ auseinander. Im zweiten Teil der Ausstellung zeigen verschiedene Gegenwartspositionen diese künstlerische Vielfalt. Auffallend ist, dass „Kohle“ als Material und Thema sehr divers verhandelt wird. Anders als im vorhergehenden Ausstellungsbereich sind die Kunstwerke der Gegenwart nicht thematisch gruppiert, sondern nach ästhetischen Gesichtspunkten und assoziativen Gemeinsamkeiten. Dadurch bleiben die Werke variabel lesbar, und aktuelle Zugänge und Perspektiven ermöglichen dem Betrachter neue Sichtweisen.
Innerhalb der künstlerischen Positionen lassen sich dennoch lose thematische Verbindungen aufzeigen. So konzentrieren sich einige Künstler und Künstlerinnen sehr bewusst auf die Materialität, die Kohle als Werkstoff: Erich Reusch mit seinen elektrostatischen Objekten, Alicja Kwade mit ihrem Aschehaufen und Nora Schattauer mit ihren Zeichnungen auf Kohlepapier.
Zudem spielt der persönliche Bezug, die Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie oder mit bestimmten, vom Bergbau geprägten Orten für viele Künstler und Künstlerinnen beim Sujet Kohle eine wichtige Rolle, etwa bei Marcus Kiel, Gabriele Nasfeter, Barbara Abendroth und Stephanie Brysch. Andere Künstler setzen sich mit gesellschaftlichen und politischen Fragen auseinander, beispielsweise Mohau Modisakeng in seiner performativen Videoarbeit. Bei Alwin Lay oder den Anhäufungen von Reiner Ruthenbeck sehen wir zudem Werke, in denen Material in Form eines Kohlebriketts, einer verbrannten Ananas, eines Papier- und Schlackehaufens, als Mittel einer konzeptuellen Metaebene genutzt wird.
Die Kunstwerke der Gegenwart eröffnen aktuelle Zugänge und Perspektiven auf das Thema Kohle und ermöglichen dem Betrachter neue Sichtweisen.
Kurzfilme von Studierenden zum Thema „Kohle“
Begleitend zur Ausstellung haben Studierende des Studiengangs „Film & Sound“ der FH Dortmund unter Leitung von Prof. Sandra Hacker und Harald Opel ein Kurzfilmprogramm erarbeitet. Die Filme dauern zwischen einer und 25 Minuten und sind in der „Black Box“ in der Ausstellung zu sehen. Die Imagekampagne „Dortmund überrascht. Dich.“ unterstützt die Produktion des Kurzfilms „Zappenduster“ und hat damit zur Realisierung des Projekts beigetragen.