Familien tauchen „Kopfüber in die Kunst“

Ein Installations-Parcours für Kinder und Kunstkenner*innen auf der sechsten Etage des Dortmunder U

Das Museum Ostwall im Dortmunder U zeigt mit „Kopfüber in die Kunst“ ab dem 21. April eine Reihe von raumgreifenden Kunstwerken internationaler Künstler*innen. Passend für Kunstkenner*innen und Kinder mit Spaß an faszinierenden Entdeckungen.

Dicke, mit Fell überzogene Säulen geben bei Berührung Tierlaute von sich. „Du musst bei der Elefantenhaut ein bisschen fester streicheln“, sagt Kristina. Sie ist neun und eine der Kunst-Scouts, die spezielle Führungen für Kinder und Familien anbieten. In „Kopfüber in die Kunst – Vom Environment zur Immersion“ lädt ein Kunstparcours mit acht unterschiedlichen Installationen ein, Kunst mit dem Körper und allen Sinnen zu erfahren. Kinder und Kunstkenner*innen haben hier zusammen Spaß an der Entdeckung. „Wir haben über Jahre konsequent daran gearbeitet, dass das Dortmunder U ein Ort für Familien wird. Das zeigt sich jetzt auch in dieser Ausstellung“, freut sich der Leiter des Dortmunder U, Stefan Heitkemper.

Carlos Cruz-Diez, „Environnement Chromointerferent transluicide C, 1074/2009, Ausstellungsansicht „Kopfüber in die Kunst“, 2024.
©  Dortmunder U / Roland Baege

Leichter Zugang zur Kunst mit vielen Sinnen

Es ist eine organische Höhle in rosa – Schaumstoff zieht sich in Wellen an den Wänden entlang. Der „Schaumraum“ von Ferdinand Spindel lädt zum Erkunden, Fühlen und Fotografieren ein. Ein Selfie-Spot. Der Raum ist die erste Station dieses Ausstellungsparcours, der einen leichten Zugang für alle Sinne in die Kunst schafft. Und er hat viel mit der Geschichte des Museum Ostwall im Dortmunder U zu tun, das in diesem Jahr 75. Geburtstag feiert.

Zurück zu den Anfängen des Museum Ostwall

Unter Direktor Eugen Thiemann (1967-1987) wurden im Museum erstmals Environments gezeigt, wie diese Arbeit von Ferdinand Spindel. Den „Schaumraum“ gab es schon einmal 1969 im Museum am Ostwall, der nun anhand von Fotos aus dieser Zeit in Originalgröße rekonstruiert wurde. Dafür befragte das Museum Zeitzeug*innen, wie sie den damaligen „Schaumraum“ erlebt haben. „Zum Beispiel sagte eine Besucherin, dass man den Ausgang vom Eingang aus nicht gesehen hat. Das hat uns sehr geholfen“, so Michael Griff, Kurator der Ausstellung.

Ein Bogen zur Museumsgeschichte

Das gesamte Konzept der Ausstellung hat viel mit der im Wortsinn bewegten Geschichte des Museums zu tun. Auf einem Foto Ende der 60er-Jahre sieht man Erwachsene, aber auch viele Kinder im Museum Ostwall. „Da wird bereits deutlich, dass schon Kinder von den Environments fasziniert waren. Die Ausstellung zieht einen Bogen zur unserer Museumsgeschichte“, sagt Museumsdirektorin Regina Selter.  

Ferdinand Spindel: „Schaumraum“ (im Rahmen der Ausstellung „Bildblöcke und Schaumstoffräume“) 1969. Foto: Rolf Glasmeier, Archiv MO

Environment – Eintauchen in die Kunstwerke 

Spätestens mit den Environments, den raumgreifenden Installationen der 1960er-Jahre, haben Künstler*innen die Bewegung der Besucher*innen im und um das Werk bewusst im Blick. Aus dem passiven Publikum werden Menschen, die mit allen Sinnen aktiv werden müssen, um in das Kunstwerk „einzutauchen“ – Kunstwerke sollen nicht mehr nur still und andächtig betrachtet werden; auch Bewegung und Spiel können zum Kunsterlebnis zählen. In einem Parcours aus acht Installationen können die Kunsträume aktiv erlebt und spielerisch erprobt werden.

Räume geraten in Bewegung 

Wie zum Beispiel bei Marinella Pirellis Werk „Film Ambiente“ (1969/2004). Ein scheinbar durchsichtiger Kubus steht im Raum, darauf wird ein Film projiziert. Tatsächlich besteht das Raumgerüst aus transparenten Bahnen, durch die sich die Besucher*innen einen Weg hinein bahnen können, raschelnd durch die durchsichtigen Steifen gehen und so mit ihrer Bewegung diese Elemente verändern. „Wir haben bei den Familiensonntagen im Dortmunder U Kinder gefragt, was sie sich für eine Ausstellung wünschen. Und Bewegung stand da an erster Stelle“, so die Kuratorin Viktoria von Pidoll.

Marinella Pirelli, Film Ambiente, Ausstellungsansicht „Kopfüber in die Kunst“, 2024.
©  Dortmunder U / Roland Baege

„Sportstunde“ im Ratssaal

Die Interaktion mit Menschen ist auch für die Arbeiten von Christian Jankowski entscheidend. Im Auftrag des Museum Ostwall versammelte Jankowski Schüler*innen des fünften Jahrgangs der Wilhelm-Röntgen-Realschule aus Dortmund zu einer „Sportstunde“ im Ratssaal. Sie waren zum Teil schon bei der Eröffnung des neuen Ratssaals dabei und wissen, dass dort eigentlich Politiker*innen Entscheidungen für die Stadt und ihre Bürger*innen treffen. „Ich finde das beeindruckend, dass wir jetzt hier turnen, an so einem wichtigen Ort“, sagt Ben.

Kinder sollen sich den „Raum aneignen“

Christian Jankowski hat die Aktion eigens für die Ausstellung „Kopfüber in die Kunst“ geplant: „Da geht es ja um Immersion, um Bewegung. Und ich finde es spannend, dass Kinder, auf die ja eine gewisse Macht ausgeübt wird, sich in einem Raum bewegen, in dem sonst politische Macht ausgeübt wird.“ Ziel ist es, den Raum, der eigentlich für politische Auseinandersetzungen genutzt wird, für eine Sportstunde umzufunktionieren. „Die Kinder sollen sich den Raum neu aneignen“, sagt Jankowski. Dadurch bekommt er eine neue Bedeutung. Die Performance wird als Videoinstallation in der Ausstellung präsentiert. Hier ist auch eine frühere Arbeit zu sehen.

Kinder werden zu Expert*innen

Und schließlich die Säulen mit den Tierlauten: „un|fenced“ ist eine Interpretation des Gemäldes „Großer Zoologischer Garten“ von August Macke (1913) aus der Sammlung des Museum Ostwall. Es ist ein interaktives Environment, das in Zusammenarbeit mit dem Masterstudiengang Szenografie und Kommunikation der Fachhochschule Dortmund und dem Digitalen Koproduktionslabor des Dortmunder U entstanden ist.

In der Ausstellung „Kopfüber in die Kunst“ im Museum Ostwall im Dortmunder U führen Kunstscouts wie Kristina zu speziellen Terminen durch die Ausstellung.
©  Dortmunder U / Roland Baege

Die Tiere sind fühlbar, hörbar. Kunstscout Kristina führt gerade eine Gruppe hier durch, sie hat bei einem Osterferien-Workshop mitgemacht. „Und hier kannst du einen lauten Donner machen“, sagt Kunstscout Kristina, „der Schall wird nämlich durch das Mikrofon verstärkt.“  In dieser Ausstellung sind die Kinder eben die Expert*innen.

Weitere Informationen und Begleitprogramm Online

Weitere Highlights in der Ausstellung sind die Arbeiten von Joon Moon, in dessen Installation „Chasing Stars in Shadow“ (2021) Schattenkinder mithilfe einer Laterne und Bewegung aus der zweiten Dimension befreit werden müssen, und der immersive Raum „Field“ von Design I/O, in dem Pflanzenwelten erschaffen werden können.

Joon Moons „Chasing Stars in Shadow“ (2021)
©  Dortmunder U / Roland Baege

Carlos Cruz-Diez ist einer der wichtigsten künstlerischen Forscher des 20. Jahrhunderts zur Wirkung und den Einsatzmöglichkeiten von Farbe und Licht sowie deren Zusammenspiel im Raum. Seine Kunstwerke sind immer auch als immersive und dynamische Erfahrungen für Besucher*innen konzipiert, die in dieser Ausstellung seine Arbeit „Environnement Chromointerférent Translucide C“ (1974/2018) mitgestalten können.

Lesungen, Kino und Kunstworkshops für Kinder 

Von Lesungen über KinderUni, Kino, Kinderführungen durch die Kunst-Scouts – es gibt ein umfangreiches Begleitprogramm für die ganze Familie mit über 80 Veranstaltungen.

Rahmenprogramm

ALLE SEHEN

2024 wird das Museum Ostwall 75 Jahre alt. Über das ganze Jahr verteilt finden zu diesem Anlass besondere Ausstellungen und Veranstaltungen statt. Die Ausstellung „Kopfüber in die Kunst“ schlägt einen Bogen von den Gründungsjahren des Museums bis in die Gegenwart. Unter Direktor Eugen Thiemann (1967-1987) wurden im Museum erstmals Environments gezeigt, darunter Arbeiten von Ferdinand Spindel und Carlos Cruz-Diez. 


Kopfüber in die Kunst. Vom Environment zur Immersion.

Eine Ausstellung des Museum Ostwall im Dortmunder U

Vom 21. April bis 25. August 2024

Eröffnung: 21. April 2024 um 11.30 Uhr