Hintergründe der historischen Objekten – EFIE. The Museum as Home. Kunst aus Ghana

Aktuell ist Restitution von Kunstobjekten ein häufig besprochenes Thema in den globalen Medien, insbesondere in Bezug auf die Benin-Bronzen, obwohl noch viele weitere Objekte auf ähnliche oder andere Weise aus ihren Herkunftsländern entwendet wurden. Was ist ihre Geschichte? Wie sind sie in die Museen gekommen, in denen sie sich heute befinden? Und was bedeutet ihre Abwesenheit für die Herkunftsorte? Oft sind die Informationen, die darüber in den Museen zu finden sind, spärlich. Wie beginnen wir damit, ihre Biografien zu erstellen? Und wie schaffen wir Räume und Methoden der Heilung und der Wiedervereinigung für die stattgefundene Trennung?

Historische Akan-Trommel (Foto: Jürgen Spiler)

Über die hier gezeigte Trommel wissen wir, dass sie Ende der 1920er Jahre in das Museum am Rothenbaum (MARKK) in Hamburg kam und zwar durch den Kapitän Hermann Woker, der auch Generalvertreter der „Wo-ermann-Linie“, der „Deutschen Ost-Afrika-Linie“, der „Hamburg-Amerika-Linie“ und der „Hamburg-Bremer Afrika-Linie“ war. Es gibt nicht viele Informationen über Woker selbst, es ist jedoch bekannt, dass die Eigentümer*innen dieser Reedereien, einschließlich der „Woermann-Linie“, maßgeblich am Aufbau deutscher Kolonien in Afrika beteiligt waren. Außerdem beruhte ein Großteil des Handels der Hamburger Industriellen auf dem Handel von und nach Afrika, einschließlich des unmenschlichen transatlantischen Sklav*innenhandels.

Die Trommel entstammt dem Volk der Akan in Ghana und wurde höchstwahrscheinlich für ein besonderes Ereignis oder einen historischen Tag hergestellt. Sie ähnelt im Stil den Ntan-Trommeln, die vom Meisterkünstler Osei Bonsu geschnitzt wurden. Jedes Element der Trommel hat eine Bedeutung, etwa der Königstuhl oder der Sankofa-Vogel, der in die Vergangenheit schaut

Die Sammlung von Goldgewichten stammt aus dem Rautenstrauch-Joest- Museum in Köln und gelangte 1906 für den Preis von 20 Pfund durch William Ockleford Oldman in die Sammlung. Dieser war „Waffen- und Kuriositäten-händler“, der zunächst als „Savage Art“ und später als „Oldman’s“ in Brixton Hill in London Geschäfte machte. Die Geschichte dieser Stücke zeigt, dass Sammlungen oftmals erst an private Händler*innen gingen, die diese dann an Museen weiterverkauften, so wie Oldman. Er verkaufte an viele weitere Museen, darunter das National Museum of the American Indian in Washington, das Pitt Rivers Museum der Universität Oxford und das British Museum in London.

Spirituelle Gegenstände und Amulette in „EFIE. The Museum as Home.“
(Foto: Jürgen Spiler)

Die Goldgewichte aus Messing dienten als Zahlungsmittel, waren vor allem aber eine Bildsprache. In der Sprache der Akan sind sie als Abrammo bekannt. Sie wurden im Wachsausschmelzverfahren geformt und zusammen mit einer Waage (nsenia) genutzt, um Goldstaub abzuwiegen. Sie wurden in einem Beutel (futuo) aufbewahrt, von dem es hieß, er sei mit der Seele seiner Besitzer*innen verbunden. Dieser wurde aus Baumwollstoff gefertigt und mit Leoparden- oder Antilopenhaut umwickelt. Diese Beutel enthielten außerdem Dosen mit Goldstaub (kuduo oder mmumpuruwa). Mithilfe von Löffeln (nsawa oder atere) und Schaufeln (famfa) wurden die Goldgewichte mit Gewichten aus Samen ergänzt.

Die Goldschmiede (adwumfo) bildeten eine Zunft von Handwerkern und waren bewandert darin, Sprichwörter und Weltanschauungen zu allen Themen zwischen Leben und Tod in diese Goldgewichte zu übersetzen. Obwohl es das Gold war, das die Kolonisten in das heutige Ghana trieb und den Kolonialgebieten dort den Namen „Goldküste“ brachte, verboten die englischen Kolonisten 1896 die Verwendung von Goldgewichten, um den Handel besser kontrollieren und monopolisieren zu können.

Spirituelle Gegenstände und Amulette in „EFIE. The Museum as Home.“
(Foto: Jürgen Spiler)

Spirituelle Gegenstände (dzokawo) wurden in den Kolonien meist verboten, aber nach Europa eingeführt. So auch die Amulette aus dem Übersee-Museum Bremen, die der Missionar Carl Spieß, welcher der Norddeutschen Mission angehörte, zwischen 1894 und 1900 bei den Ewe gesammelt und dem Museum geschenkt hatte. Missionar*innen wie er bekehrten ganze Gemeinden zum Christentum und brachten diese dazu, Kulturobjekte ab-zugeben, die bis heute als Götzen und Fetische bezeichnet werden, um sie stattdessen zur Erforschung und Präsentation nach Europa zu bringen. Auf der einen Seite kam es also zu Zerstörung, auf der anderen Seite zu fieberhafter Dokumentation und Bewahrung.

Dabei handelte es sich bei den Gegenständen nicht um bloße Dinge, sondern um beseelte Objekte, die für Riten und Rituale genutzt wurden. Sie zeigen, dass Restitution nicht nur ein einfacher Akt der Rückgabe von Dingen ist, die während der sogenannten „Strafexpeditionen“ geraubt wurden, sondern auch die Wiederherstellung und Wiedergutmachung von Prozessen und Entwicklungen, die durch bewusste Akte der Kontrolle und Ausbeutung unterbunden und zunichte gemacht wurden; einhergehend mit einer gewaltsamen Verunglimpfung und Brutalisierung der Menschen, der Ordnung der Dinge und ganzer Seinskonzepte.

„You Hide Me“ von Nii Kwate Owoo (Foto: Jürgen Spiler)

Der Film „You Hide Me“ wurde 1979 von dem Filmemacher Nii Kwate Owoo gedreht, dem es gelang, die Verwaltung des Britisch Museum zu überlisten und sich Zugang zu den Museumsdepots zu verschaffen, wo er unter anderem Raubgut der Asante und aus Benin filmte. Der Film fordert die Rückgabe dieser Gegenstände und war damit seiner Zeit weit voraus. In Ghana wurde er aus Achtung vor Großbritannien verboten, durch seine Digitalisie-rung erlangte er jedoch neue Bedeutung. So wurde er 2020 auf dem BlackStar Film Festival in Philadelphia gezeigt und gewann im selben Jahr den Preis für den besten Dokumentar-Kurzfilm auf dem Paris International Short Film Festival.