Interview mit Flor Alonso vom Koproduktionslabor
„Bei digitaler Kunst handelt es sich um einen sehr handwerklichen Prozess. Das, was ich tue, ist digitales Kunsthandwerk. „
Seit kurzem bist du Teil des Koproduktionslabors als Creative Coderin. Wie bist du eigentlich zum Koproduktionslabor gekommen?
Ich kam im Februar 2022 im Rahmen eines Stipendiums der Akademie für Theater und Digitalität nach Dortmund. Das Fellowship-Programm war ein 5-monatiges Forschungsprojekt in Zusammenarbeit mit Naoto Hieda, einem japanischen Tänzer, Coder und digitalen Künstler. Durch Naoto lernte ich Max Schweder kennen, der bereits im Koprodo arbeitete und ebenfalls ein Alumni der Akademie ist. Zu diesem Zeitpunkt war das Koproduktionslabor gerade erst gestartet und weil Max und ich viele Interessen teilen, kam hier der Kontakt zustande. Da ich außerdem nicht nur über Programmierkenntnisse, sondern auch künstlerisch und lehrend tätig bin, schien es eine gute Wahl für mich zu sein.
Warum nutzt du Creative Coding als dein Go-To-Werkzeug zur Erschaffung von Kunst?
Ich habe mich viel mit digitalen Technologien auseinandergesetzt, weil ich realisierte, wie ich selbst und andere Menschen jeden Tag viele unterschiedliche Technologien benutzen, ohne überhaupt zu verstehen, wie sie funktionieren und wie sie die Gesellschaft beeinflussen. Am Anfang war es also mehr als nur ein technologisches Interesse, es war auch eine soziale Frage. Aber dann interessierte mich auch, wie man durch etwas so konstruiertes wie Code etwas künstlerisches ausdrücken kann. Und zuletzt fand ich es spannend, durch Programmieren auf ganz neue Weise viele Disziplinen miteinander zu verbinden und Welten zu kreieren.
„In Argentinien müssen wir sehr kreativ sein, um komplexe Probleme mit wenig Mitteln zu lösen. „
Als argentinische Künstlerin in Deutschland, was denkst du sind die Unterschiede zwischen der argentinischen und der deutschen Kunstszene?
In Argentinien müssen wir sehr kreativ sein, um komplexe Probleme mit wenig Mitteln zu lösen. Aufgrund unserer Wirtschaft ist der Zugang zu Technologie schwieriger. Wenn man eine Idee hat, setzt man sich zusammen und versucht, Lösungen zu finden. Kreativität erfordert daher immer auch eine kreative Lösungsfindung. In Deutschland ist es gefühlt einfacher, Ideen umzusetzen. Und da helfen vor allem auch Einrichtungen wie die Akademie, das kiU oder das Koprodo. Natürlich würde ich das nicht verallgemeinern und behaupten, dass es überall so ist. Einrichtungen, Communities und die richtigen Menschen zu haben, die sich um einen kümmern und einem bei der Entwicklung seiner Ideen helfen, ist eine gute Basis, um sich kreativ entfalten zu können.
In Argentinien gibt es neben all den soziopolitischen und wirtschaftlichen Problemen auch Künstler*innen, die gemeinsam etwas auf die Beine stellen. Wir haben zum Beispiel eine Live-Coding-Community gegründet, weil es einen Bedarf gab, Coding zu lernen. Bisher habe ich festgestellt, dass es in der deutschen Kunstszene viele Künstler*innen und Menschen gibt, die sich dafür einsetzen, wie man queere/inklusive Safe Spaces schaffen kann. Deshalb würde ich sagen, dass es an beiden Orten die Absicht gibt, fürsorglich und sensibel zu sein, was meiner Meinung nach wichtig für Kunst ist.
„Ich denke, dass Dortmund als Ort für Kunst und insbesondere für digitale Kunst ein großes Potenzial in sich trägt. Ich habe das Gefühl, dass hier alles in Bewegung ist.“
Das Koproduktionslabor ist ein Projekt zur Förderung der digitalen Kunstszene? Welchen Einfluss kann ein solches Projekt auf die digitale Kunstszene in Dortmund und NRW haben?
Für mich ist das Koproduktionslabor ein Projekt, um die digitale Kunstszene weiterzuentwickeln, aber auch ein Ort der Begegnung – ein Ort, an dem wir uns treffen und koproduzieren, Ideen und Interessen diskutieren und in diesem Prozess gemeinsam etwas schaffen. In diesem Sinne kann das Projekt die Kunstszene aus NRW zusammenbringen und sie als kollektive und kollaborative Community wachsen lassen.
Was denkst du über Dortmund als Ort für Kunst und insbesondere für digitale Kunst?
Ich denke, dass Dortmund als Ort für Kunst und insbesondere für digitale Kunst ein großes Potenzial in sich trägt. Ich habe das Gefühl, dass hier alles in Bewegung ist. Die Künstler*innen hier sind sehr motiviert, wollen koproduzieren und kollaborieren. Sie wollen etwas schaffen, das andere Künstler*innen inspirieren kann, aber auch die Kunstszene in Dortmund voranbringt.
Was antwortest du, wenn jemand sagt, digitale Kunst sei zu artifiziell und die menschliche Note würde verloren gehen?
Bei digitaler Kunst handelt es sich um einen sehr handwerklichen Prozess. Das, was ich tue, ist digitales Kunsthandwerk. Oft verbringt man Stunden, Tage oder gar Monate damit, eigene Werkzeuge zu entwickeln, um Kunst zu schaffen. Auf der anderen Seite kann man mit digitalen Technologien oft viel schneller arbeiten als zum Beispiel beim Zeichnen. Für mich ersetzt daher das eine auch nicht das andere. Es ist eine andere Art des Ausdrucks, ein anderes Medium. Der menschliche Touch und die menschliche Resonanz sind unersetzlich und daher kann digitale Kunst meiner Meinung nach nur dazu beitragen, andere Erfahrungen wie Immersion, Interaktion usw. zu schaffen.
„Vielmehr sollte man versuchen zu verstehen, wie die Dinge funktionieren. Man sollte die Black Boxes öffnen. Wenn man das tut, kann man kreativ mit der Technologie umgehen.“
Wird künstliche Intelligenz in Zukunft in der Lage sein, Kunst in der gleichen Qualität wie Menschen zu produzieren?
Darauf habe ich keine klare Antwort, denn KI-Technologien entwickeln sich so schnell, dass eine Vorhersage schwer ist, wohin die Reise geht. Aber es ist genauso eine sehr interessante philosophische Frage. Können Maschinen sensibel sein? Vor einigen Jahren nahm ich an einem Workshop mit Leonardo Solas, einem argentinischen Philosophen und Künstler, teil. Die Hauptfrage des Workshops war: Gibt es etwas Unberechenbares für Maschinen? Ich denke, es gibt viele Dinge, die eine Maschine nicht berechnen oder vorhersagen kann. Damit möchte ich aber nicht gegen den technologischen Fortschritt sprechen. Ein anderer Philosoph, Eric Sadin, sagt, dass man nicht gegen das ankämpfen kann, was bereits geschaffen wurde. Vielmehr sollte man versuchen zu verstehen, wie die Dinge funktionieren. Man sollte die Black Boxes öffnen. Wenn man das tut, kann man kreativ mit der Technologie umgehen. Ich denke, dass KI nicht geschaffen wird, um die Kunst zu ersetzen, sondern dass es unsere Aufgabe ist, kreativ zu sein und herauszufinden, wie wir es als Werkzeug nutzen können.
Was sind deine Ziele für die Zukunft als Künstlerin?
Ich möchte jeden Tag etwas Neues lernen: von den Technologien, den Ideen und von den Künstler*innen und Menschen, die mich hier umgeben. Ich würde gerne mehr Artworks produzieren, weiterhin unterrichten und Workshops geben.
Lieber eine künstliche Intelligenz oder einen intelligenten Künstler?
Auf jeden Fall einen intelligenten Künstler, der auch weiß, wie man künstliche Intelligenz erschafft 🙂