Die Shortlist – MO_Beirat
2024 haben wir einen wichtigen Schritt gewagt – der MO_Beirat hat ein Kunstwerk angekauft! Ein zentrales Ziel des MO_Beirats ist der Ankauf eines Kunstwerks für die Sammlung des MO. Im Februar 2024 begann dieser Prozess. Doch welche Werke standen eigentlich zur Auswahl? Hier findet Ihr die Übersicht über die Werke, die es in die engere Auswahl geschafft haben.
Dorothea Buck (1917–2019) – Vorschlag von Birgit
Dorothea Buck war Künstlerin der Disability Culture (Disability Studies).
Im Mainstream Kulturbetrieb ist sie nicht vertreten. Sie wird
allenfalls in medizinischen Zusammenhängen gezeigt werden, als
psychatrierte Kranke, die sich künstlerisch betätigt. Institutionen wie
die Sammlung Prinzhorn des Universitätsklinikums Heidelberg sammeln
z. B. nur Werke solche Künstler*innen.
»Meine psychotischen Erfahrungen haben mein Leben sehr bereichert.
Der Schock aber, wegen dieser Erkrankung bekämpft, entwertet und
zwangssterilisiert zu werden, war einschneidend und wirkt bis heute
nach.« (Dorothea Buck)
Mary Duffy – Vorschlag von Birgit
Mary Duffy wurde zuerst 1995 mit einer Live-Performance als disarming
venus in der Kunstszene bekannt. Die Erfahrung, ständig angestarrt
zu werden, verarbeitet sie in ihrer Auseinandersetzung mit dem
Körper in Medizin und Gesellschaft. In der Kunst und Kunstgeschichte
ist dieses Thema auch als to be stared at bekannt. Disability Arts und
Disability Culture sind als Teil der Disability Studies, einer im angloamerikanischen Raum seit einigen Jahrzehnten etablierten Disziplin,
noch Leerstellen in deutschen Museen.
Kunst wie die von Mary Duffy, ihr Blick und Ausdruck von Körper fehlen
in deutschen Museen – relevant auch noch in 50 oder 100 Jahren.
Marion Weirauch und Peatc Voßmann –
„TANDEM-GEFLÜSTER” – Vorschlag von Birgit
Marion Weirauch und ihr Tandem-Partner Peatc Voßmann (gesprochen:
„Pätz”, geboren 1949) präsentieren ihre Kunstwerke, die im „Tandem-
Geflüster“ entstanden sind. Das Konzept hinter Tandem-Geflüster:
Künstler*innen mit und ohne Behinderung vernetzen, die dann
gemeinsam kreativ arbeiten. Die Künstlerin Renate Frerich hatte
dieses Tandem-Paar nach inhaltlichen und gestalterischen Übereinstimmungen zusammengebracht.
Die Dortmunder Künstlerin Marion Weirauch arbeitet unermüdlich und
zeichnet, klebt und kleistert ihre eigenen Fantasietiere. Sie begeistert
sich für Farben und Formen. Sie schaut am liebsten Tiersendungen
und ist darüber gut informiert.
Peatc Voßmann ist in Dortmund durch zahlreiche Ausstellungen und
Performances bekannt. In diesem Projekt stellt er Arbeiten mit Tieren
in irrealer Position oder Umgebung aus.
Naudline Pierre – Vorschlag von Scherwin
Naudline Pierres Gemälde verbinden Fantasie und Ikonographie zu
alternativen Welten voller Ekstase, Hingabe und Zärtlichkeit.
Ihre prismatischen Figuren brechen mit traditionellen Mythen und Kunstgeschichte, während persönliche Mythologie und historische Formate neue Perspektiven schaffen. Ihre Werke sind in vielen Museumssammlungen vertreten.
In 50 oder 100 Jahren werden ihre Werke im Museum Ostwall bedeutend
sein, da sie durch ihre zeitlose Qualität und emotionale Tiefe
Heilung und Reflexion fördern. In der heutigen Zeit, in der Heilung
dringend benötigt wird, bieten sie visionäre Perspektiven und inspirieren
zukünftige Generationen.
Mónica Hernandéz – Vorschlag von Scherwin
Mónica Hernández‘ großformatige, fließende Figuren, oft Selbstporträts
oder Darstellungen von Frauen aus ihrem Umfeld, sind ungeschminkt
und ungeniert. Ihre farbenfrohen Ölgemälde zeigen BIPoC*
in Alltagsszenen und spiegeln ihr Vertrauen in ihr eigenes Bild wider.
Hernández, die aus der Dominikanischen Republik stammt, zog mit
sechs Jahren nach New York. Sie sieht Social Media Plattformen als
eigenes Kunstwerk und hinterfragt dort die Selbstdarstellung.
Für zukünftige Generationen werden Mónica Hernández‘ Werke im
Museum Ostwall bedeutend sein, weil sie authentische und kraftvolle
Darstellungen des weiblichen Lebens bieten. Ihre offene und ehrliche
Kunst hinterfragt traditionelle Darstellungen und stärkt weibliche
Perspektiven.
Marie-Louise von Rogister (1899–1991) – Vorschlag von Horst
Bekannt wurde die Künstlerin insbesondere durch ihren Beitrag zur
informellen Malerei. Nachdem sie 1938 den Maler Fritz Winter traf,
entwickelte sich eine lebenslange Freundschaft zwischen ihnen. Seit
Anfang der 50er Jahre schuf sie erste informelle Arbeiten, ihre sog.
„Geflechtbilder“. Sie entwickelte sich von dem Schaffen konkreter Bilder
zum abstrakten Bild. Von 1964 bis 1967 wurde ihr Haus in Dortmund-
Kley zu einem beliebten kulturellen Treffpunkt der Stadt. Nach dem
Tod ihres Mannes lebte sie in der Nordheide, sie verstarb 1991 in
Bötersheim.
Marie-Louise von Rogister hat als eine der wenigen Frauen im 20. Jahrhundert einen anerkannten Platz in der informellen Malerei. Es besteht auch eine gewisse Verbindung zu Nordrhein-Westfalen und
zum Museum Ostwall: Nach Ausstellungsbeteiligungen 1951 und 1958
widmete das Museum 1980 ihr eine Einzelausstellung. Sie wäre ein
gutes Gegengewicht zu den „Männern des Informel“ der Sammlung
des Museum Ostwall. Besonders in NRW sollte sie stärker bekannt
gemacht werden.
Hal Busse (1926–2018) – Vorschlag von Horst
Hal Busse, eigentlich Hannelore Bendixen-Busse, war Malerin, Grafikerin,
Objektkünstlerin. Nachdem sie sich zunächst der Malerei
zugewandt hatte, bewies Busse dann ein weit gefächertes künstlerisches
Können, u. a. mit ihren Nagelbildern und Flächenreliefs. Sie
stellte gemeinsam mit der Künstlergruppe ZERO aus. Auch wenn
Busse einige Jahre im Zentrum der künstlerischen Avantgarde stand,
blieb ihr doch die angemessene Anerkennung versagt. Erst Anfang
der 2000er Jahre wurde die Künstlerin wiederentdeckt.
Busse fällt durch ihre künstlerische Vielseitigkeit auf: Gerade Kompositionen wie ihre „Nagelbilder” werden stets mit dem Namen des weltbekannten Günther Uecker in Verbindung gebracht. Aber wäre es nicht
interessant und zeitgemäß, ein Nagelbild der zu Unrecht vergessenen
Künstlerin einem Ueckerschen Nagelbild gegenüberzustellen? Auch
unter Kunstbegeisterten ist kaum bekannt, dass eine Frau Vergleichbares
geschaffen hat wie der 4 Jahre nach ihr geborene Uecker.
Camille Chedda – Vorschlag von Alexis
Camille Chedda (geb. 1985, Manchester, Jamaika) ist eine bildende
Künstlerin, die mit Zeichnung, Malerei, Collage und Installation Ideen
rund um Race und postkoloniale Identität untersucht.
Das Werk von Chedda, das ich vorschlage, ist Views (2022), ein Werk,
das auf der Documenta 15 ausgestellt wurde. Es ist ein Werk, das sich
mit der Kolonialgeschichte beschäftigt, die Europa und die Karibik miteinander verbindet und die bisher noch nicht eingehend bearbeitet
wurde. Ich denke, das Werk ist nicht nur relevant, weil es eine künstlerische
Annäherung an die Kolonialgeschichte ist, sondern auch, weil
es in die jüngere Geschichte eingebettet ist.
Ich kann mir vorstellen, dass die Relevanz dieses Werks in der Sammlung
nicht nur im Laufe der Zeit erhalten bleibt, sondern in Zukunft
sogar einen grundlegenden Beitrag zum Verständnis künstlerischer
Produktionen rund um das Thema Kolonialismus – mit so tiefgreifenden
Auswirkungen auf die Weltgeschichte – sein könnte.
Josephine Sagna – Vorschlag von Alexis
Die Künstlerin Josephine Sagna (geb. 1989, Stuttgart) setzt
auf eine gegenwärtige Thematik: die der unverkennbaren Klischees,
denen BIPoC*-Frauen in einem System aus Machtverhältnissen ausgesetzt
sind. Ihnen werden Attribute wie Stärke und Aufopferungsbereitschaft
aufgebürdet– diese Eigenschaften anzunehmen, spiegelt
sich in einem anhaltenden Kampf um Identität und soziale Zugehörigkeit
wider.
Es gibt kein konkretes Werk, das ich vorschlagen möchte, aber ich tendiere
zu ihren Textilarbeiten. Eine Frage, die ich mir in Bezug auf die
langfristige Relevanz ihrer Arbeit stelle: Wie wird ihre Arbeit unsere
aktuellen Diskurse und Diskussionen um die Sichtbarkeit rassifizierter
Menschen im deutschen Kontext und insbesondere der Erfahrungen
von Frauen widerspiegeln?
Tahlia Stanton – Vorschlag von Nesrin
Die Kunst von Tahlia Stanton ist zeitlos – geprägt durch ihre einzigartige
Technik und den Stil. Jedes Bild hat seine eigene Geschichte,
die sie durch soziale und kulturelle Kommentare in Form von Videos
festhält und so den Prozess der Kunstwerke für die Ewigkeit bewahrt.
Stanton kommuniziert mit ihrem Publikum über Social Media und präsentiert ihre Kunst dort anhand von Fotos und Videos aber auch Live-
Formaten. Ich denke, dass diese Art von Kunst und deren Bekanntheit/
Format über Social Media noch in der Zukunft relevant sein werden,
da digitale Netzwerke wie Instagram eine immer größere Rolle spielen
– vor allem bei jungem Publikum.