Weltbekanntes Künstlerinnen-Kollektiv geehrt: Guerrilla Girls sind in Dortmund zu sehen

Die Ausstellung „IT’S NOT DEMOCRACY WITHOUT FEMINISM!“ ist ab dem 2. Dezember im Dortmunder U zu sehen

Seit 40 Jahren mischt das feministische Künstlerinnen-Kollektiv Guerrilla Girls mit scharfzüngigem Humor und spektakulären Aktionen den internationalen Kunstbetrieb auf. Die Ausstellung im MO_Schaufenster im Dortmunder U zeigt eine Auswahl von Plakaten der Guerrilla Girls.

Vl.: Benjamin Sieber (Freunde des MO), Regina Selter (Direktorin des MO), Frida Kahlo und Käthe Kollwitz von den Guerrilla Girls, Dr. Nicole Grothe (Sammlungsleiterin des MO), Prof. Dr. Sarah Hübscher, Clara Niermann (Volontärin). Foto: Stadt Dortmund / Roland Gorecki

Der MO_Kunstpreis „Follow me Dada & Fluxus“ wird am Sonntag, 30. Dezember, im Brauturm des Dortmunder U verliehen – bereits zum 12. Mal. Die Guerrilla Girls bekommen ihn als internationales feministisches Kollektiv, das ist sowohl für das Museum Ostwall als auch für die Guerrilla Girls besonders. „Wir sind sehr froh, hier in Dortmund zu sein und fühlen uns geehrt, den Preis von einem deutschen Museum zu bekommen. Unsere Arbeit zielt ja eher auf das amerikanische Museumssystem ab. Aber es ist nicht so, als würden wir das deutsche System nicht kritisieren, deshalb freuen wir uns sehr, hier wahrgenommen zu werden“, sagt Frida Kahlo, eine der Künstlerinnen. Sie ist zusammen mit Käthe Kollwitz angereist. Die Guerilla Girls arbeiten ausschließlich anonym, mit den typischen Gorilla-Masken und Pseudonymen bereits verstorbener Künstlerinnen.

31 signierte Plakate fürs Museum Ostwall

Mit dem MO_Kunstpreis ist auch der Ankauf von Werken der Künstlerinnen verbunden. In diesem Jahr wurden 31 signierte Plakate der Guerrilla Girls erworben, die das Museum Ostwall als großformatige Billboards reproduzieren darf. Das ergänzende Kunst-Video „The Guerrilla Girls‘ Guide to Behaving Badly“ gibt einen humorvollen Einblick in die politische Kunstpraxis des Künstlerinnenkollektivs.

Für Regina Selter, Direktorin des Museum Ostwall im Dortmunder U fügen sich die Neuerwerbungen bestens in die Sammlungsstrategie des Hauses: „Wir verstehen die MO_Sammlung als Sammlung der Dortmunder*innen und als DNA unserer Museumsarbeit. Sie dient als Ausgangspunkt für unsere Ausstellungen und wird stetig weiterentwickelt. Ein besonderer Fokus liegt darauf, globale Positionen sowie die Arbeit von Künstlerinnen sichtbarer zu machen.“

Guerrilla Girls als Teil der feministischen Aktionskunst

Die aktivistische Kunstpraxis der Guerrilla Girls steht in der Tradition der feministischen Aktionskunst der 1960er-Jahre, die parallel zur Fluxus-Bewegung entstand. Feministische Künstlerinnen griffen, wie die Fluxus-Bewegung, Alltagsthemen auf und wählten Performances als Medium. In der MO_Sammlung sind aus jener Zeit unter anderem Werke von VALIE EXPORT, Carolee Schneeman und Ulrike Rosenbach vertreten. Die Guerrilla Girls ergänzen die Werke dieser Künstlerinnen um eine kollektivistische, aktivistische Kunstpraxis, die gesellschaftliche und politische Missstände explizit benennt. Der MO_Kunstpreis hat sich inzwischen als feste Größe etabliert und wird seit 2020 mit weiteren 10.000 Euro von den Kulturbetrieben Dortmund unterstützt.

Wichtiger Widerstand gegen Ausgrenzung von Frauen und PoC

Verliehen wird der Preis von den Freunden des Museums Ostwall e.V.. Vorsitzender Benjamin Sieber: „Den 12. MO_Kunstpreis erhalten Aktivistinnen aus New York und Los Angeles, die Pseudonyme verstorbener Künstlerinnen wie Frida Kahlo, Eva Hesse, Paula Modersohn-Becker, Käthe Kollwitz, Gertrude Stein, Georgia O’Keeffe verwenden. Seit 1985 sind die Guerrilla Girls aktiv und leisten Widerstand gegen Ausgrenzung von Frauen und People of Color in Kultur und Kunst. Die diesjährige Kunstpreisverleihung sowie die MO_Schaufensterausstellung gibt uns in Dortmund die Möglichkeit, im Reigen ihres Festjahres ein Teil davon zu sein.“

Sammlungsleiterin freut sich über feministische Position

Besonders MO_Sammlungsleiterin Dr. Nicole Grothe freut sich über die neuen Kunstwerke: „Als feministische Aktivistinnen tragen die Guerrilla Girls seit Jahrzehnten maßgeblich dazu bei, strukturelle Diskriminierung im Kunstbetrieb zu bekämpfen. Auch wir im Museum Ostwall hinterfragen seit einigen Jahren kritisch unsere eigene Sammlungspolitik und versuchen, Leerstellen sichtbar zu machen und durch gezielte Neuankäufe zu bearbeiten. Die Plakate der Guerrilla Girls erweitern daher nicht nur unseren Bestand um eine feministische Position. Sie sind gleichzeitig Auftrag, die Dinge besser zu machen.“

Die Ausstellung wurde von MO_Sammlungsleiterin Dr. Nicole Grothe gemeinsam mit Volontärin Clara Niermann kuratiert. Die für die Ausstellung ausgewählten Plakate des Künstlerinnenkollektivs machen faire Löhne in Kunstinstitutionen ebenso zum Thema wie die ungleiche Behandlung von Künstlerinnen und Künstlern durch Museen und Galerien. Sie kritisieren gesellschaftliche Machtverhältnisse und entwerfen schließlich ein eigenes Manifest als Handlungsanleitung für Kunstmuseen.

Hintergrund: Guerrilla Girls machen maskiert auf Missstände aufmerksam

„Do women have to be naked to get into the Met. Museum?” Mit dieser provokant gestellten Frage erlangten die Guerrilla Girls 1989 internationale Bekanntheit: Auf wie vielen Kunstwerken im größten Museum New Yorks sind Frauen nackt als Objekte dargestellt – und wie viele Werke des Museums stammen von Frauen als künstlerisch handelnden Subjekte? Das Missverhältnis war frappierend.

Seit vier Jahrzehnten machen die Guerrilla Girls auf die mangelnde Repräsentation von Frauen und People of Colour in Kunstmuseen aufmerksam, kritisieren ökonomische Machtverhältnisse in Kultur- und Bildungseinrichtungen und intervenieren mit spektakulären Plakatierungen in das politische Tagesgeschehen der USA. Dabei agieren sie bis heute als Kollektiv – und anonym: Bei ihren Aktionen und Vorträgen tragen sie Gorilla-Masken als Zeichen ihrer Wut, aber auch um zu verdeutlichen, dass sie nicht nur persönlich betroffen sind: Beinahe jede Künstlerin könnte ein Guerrilla Girl sein.

Zur Preisverleihung und Eröffnung der Ausstellung am 30. November reisen Frida Kahlo und Kathe Kollwitz aus New York und Los Angeles an, um die Ehrung für das Kollektiv entgegenzunehmen.

Frida Kahlo und Käthe Kollwitz von den Guerrilla Girls in ihrer Ausstellung im Museum Ostwall.
Foto: Stadt Dortmund / Roland Gorecki

Die Ausstellung wird ergänzt durch ein Begleitprogramm:

Workshops und performativen Settings

Am Freitag, 12. Dezember, sowie Freitag, 16. Januar, laden Studierende der Kunstakademie Münster von 16 – 20 Uhr in das MO_Schaufenster ein. Unter dem Motto „find your inner activist“ finden zwei Aktionstage zur aktiven Begegnung und zu Interaktionen statt. Teilnehmende können in Workshops und performativen Settings in den Kosmos der Guerrilla Girls eintauchen und aktivistische Formen sowie Formensprachen kennenlernen und selbst erproben. Konzept und Umsetzung: Prof. Dr. Sarah Hübscher gemeinsam mit den Studierenden.

Filmabend: „!WOMEN ART REVOLUTION“

Am Freitag, 9. Januar, ist um 20 Uhr im Kino im U der Film „!WOMEN ART REVOLUTION“ zu sehen. Lynn Hershman portraitiert in ihrer Dokumentation Protagonistinnen feministischer Kunst seit den 1960er-Jahren und führt Gespräche mit Künstlerinnen, Kuratorinnen und Historikerinnen, u.a. mit Judy Chicago, Suzanne Lacy, Luca Lippard, Yvonne Rainer, Martha Rosler, Carolee Schneeman – und den Guerrilla Girls (FSK o.A., Eintritt: 8 Euro/ 5 Euro ermäßigt).

Kurzinfos

Die Ausstellung ist bis zum 1. Februar 2026 im MO_Schaufenster auf der 5. Etage des Dortmunder U zu sehen. Der Eintritt ist frei.