Benehmt Euch! – Geregelte Geselligkeit vom barocken Zeremoniell bis zum Knigge-Ratgeber
Wie verhalte ich mich korrekt auf einer Hochzeit oder beim ersten Date? Welches Essbesteck ist bei welchem Gang an der Reihe? Entscheidungen des Benehmens und der sozialen Etikette sind ständig zu treffen und gelingen nicht immer optimal – fast jeder hat sich schon mal „over-“ oder „underdressed“ gefühlt. Aber wie bedeutsam sind solche kulturellen Standards und Handlungsanweisungen überhaupt? Sind Rituale der Etikette oder zeremonielle Abläufe nicht eigentlich überflüssig steif und überhaupt rückwärtsgewandt? Oder tragen sie vielleicht doch etwas zur gelingenden Gemeinschaftlichkeit bei, entscheiden sogar zwischen Zugehörigkeit und Ausgeschlossensein?
Jedenfalls gehören Geselligkeiten und Feste zum Grundbestand der menschlichen Kultur. Selbst in unserer heutigen Zeit, in der das gesellschaftliche Miteinander weithin zwanglos organisiert ist, unterliegen feierliche Anlässe oftmals noch festgelegten Abläufen und Verhaltensregeln, wie das breite Angebot an einschlägiger Ratgeberliteratur belegt. Eine besondere Aufmerksamkeit für das gemeinschaftlichen Mahl lässt sich mindestens seit der Antike nachweisen, doch vom späten Mittelalter bis in den Barock entwickelte sich die höfische Zeremonialkultur zunehmend kunstvoller, wovon kostbare Tischobjekte, ebenso wie Fest-Aufzeichnungen und Zeremonialliteratur zeugen. Im Verlauf der Zeit entstand so eine umfangreiche bildliche und schriftliche Überlieferung, die Auskunft gibt über Formen der Interaktion bei solchen Geselligkeiten, über Etikette, Tischsitten und Benimmregeln, die sich im Laufe der Jahrhunderte vielfach wandelten. Die Ausstellung verfolgt diesen Prozess von der höfischen Repräsentationskultur der Frühen Neuzeit bis zur bürgerlichen Benimmkultur des 19. und 20. Jahrhunderts. Im Zentrum steht der gedeckte Tisch als Ort sozialer Codierung – ein Schauplatz, an dem Gesten, Objekte und Rituale zu Medien gesellschaftlicher Ordnung werden.
Sprichwörtlich wurde der 1788 erstmals erschienene Tugendratgeber des Freiherrn von Knigge, der sich als Weg zu Menschenkenntnis und Weltklugkeit verstand. Ihm folgten seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert zahllose Benimm- und Anstandsratgeber, die Leserinnen und Lesern Hilfe und Orientierung beim Umgang im gesellschaftlichen Verkehr vermitteln wollten. Festliche und gesellige Anlässe spielten dabei nach wie vor eine zentrale Rolle, da sie nicht nur die Kenntnis codifizierter Regeln, sondern auch eine Regie des eigenen Verhaltens erforderten, die in vielerlei Hinsicht dem höfischen Umgang ähnelte.
Die Ausstellung holt die verschiedenen Möglichkeiten zur Regulierung des geselligen Umgangs aus fünf Jahrhunderten ins Bewusstsein und eröffnet damit einen kulturhistorischen Diskurs über Disziplinierung, Repräsentation und soziale Kommunikation. Sie gibt Anlass, die Bedeutung von Handlungsnormen für das soziale Miteinander insgesamt neu zu überdenken und im Kontext der partizipativen Ausstellungumgebung auszuloten. „Benehmt Euch!“ lädt dazu ein, das Verhältnis von Regellosigkeit und Ordnung neu zu betrachten: Zwischen spontaner Geselligkeit und ritualisierter Form zeigt sich Anstand als fortwährende Aushandlung gesellschaftlicher Werte.
Rahmenprogramm
07.12.2025, 12:00-17:00 Uhr, Familiensonntag im Dezember
Gespräche in der Ausstellung „Benehmt euch!“
17.12.2025, 14:00 – 18:00 Uhr, Workshoptag in der Ausstellung „Benehmt euch!“
Der Workshop im Rahmen der Ausstellung „Benehmt euch!“ wird die Themen des gemeinsamen Mahls und des Benehmens bei Tisch aus den Perspektiven der Bildenden Kunst, der guten Umgangsformen heute und der transkulturelle Tischkultur betrachten. Zu Gast sind Spezialist*innen aus Kunstgeschichte, Museen und der Knigge-Gesellschaft.
04.01.2026, 12:00-17:00 Uhr, Familiensonntag im Januar
Gespräche in der Ausstellung „Benehmt euch!“

