kiUTalk!#2: Kooperation und Immunologie
Diskussion: Fact and Fiction – Interdisziplinäres Wirken von immunologischer Wissenschaft und künstlerischer Forschung.
Unsere Gäste sind:
Prof. Dr. Anika Grüneboom (née Klingberg) leitet am ISAS die Arbeitsgruppe Bioimaging und hat in einer Kooperation mit der medizinischen Fakultät des Universitätsklinikums Essen und der Universität Duisburg-Essen nach dem Jülicher Modell dort die Professur für ”Experimentelle Biomedizinische Bildgebung” inne.
Grünebooms Forschung fokussiert sich primär auf die Kommunikation der Immunzellen Neutrophile Granulozyten und Makrophagen mit Endothelzellen. Um einen tiefen Einblick in die zellulären und subzellulären Vorgänge von Autoimmunerkrankungen wie der rheumatoiden Arthritis zu erhalten, arbeiten die Immunologin und ihr Team sowohl mittels bildgebender Verfahren wie der Lichtblatt-Fluoreszenzmikroskopie (Light Sheet Fluorescence Microscopy, LSFM) als auch der Konfokal-Mikroskopie (Confocal Laser Scanning Microscopy, CLSM) oder Zwei-Photonen-Mikroskopie (Two-Photon Laser-Scanning Microscopy, TPLSM). Eine Kombination dieser verschiedenen Technologien ermöglicht eine skalenübergreifende Analyse biologischer Proben.
Nach ihrem Biologie-Studium an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen kehrte die gebürtige Essenerin 2007 in ihre Heimatstadt zurück, um am Universitätsklinikum Essen zu promovieren. Dort gelang es der Immunologin, ein Clearing-Protokoll zu entwickeln, das Knochen und weiche Gewebe transparent macht und auf gefährliche Chemikalien verzichtet. Außerdem ermöglicht es, endogene Fluoreszenzproteine für mehrere Wochen bis Monate zu erhalten. Mithilfe von Grünebooms Verfahren lassen sich ganze Organe von Mäusen analysieren, ohne die Probe dabei zu zerstören. Gemeinsam mit ihren Essener Kolleg:innen gelang es Grüneboom, mittels Lichtblatt-Fluoreszenzmikroskopie und Magnetresonanztomografie ein bis dato unentdecktes Blutgefäßsystem in Knochen von Mäusen und anschließend von Menschen sichtbar zu machen. Bevor sie 2020 an die Universität Duisburg-Essen berufen wurde, arbeitete Grüneboom von 2017 bis 2020 als Postdoc und Nachwuchsgruppenleiterin in der Abteilung für Rheumatologie und Immunologie am Universitätsklinikum Erlangen.
Harald Opel ist seit 2016 Erfinder und künstlerischer Leiter des storyLab kiU der Fachhochschule Dortmund im Dortmunder U und seines Zeichens ein radikaler Avantgardist. Geboren wurde er in Bayreuth, wo er schon in jungen Jahren die Vorstellung eines ganzheitlichen Gesamtkunstwerkes aufbaute. Mit seiner Arbeit „Nicht auszuschließen, dass er tot ist“ war er experimenteller Vordenker eines digitalen Zeitalters, wobei er die Möglichkeiten der filmischen Techniken des Films experimentell bis zur Perfektion brachte. So erschuf er mit seinem „Experiment Matrix für Arme“ den Bullet Time Effekt des Filmes „Matrix“ auf innovative Weise neu. Eine in Reihe geschalteter Kabelschacht, in dem ein Filmstreifen platziert war, wurde mittels einer Lochkamera gleichzeitig belichtet und somit der Augenblick in 360° eingefroren. Dabei sprang ein Darsteller in den Kamerakreis und war damit Auslöser für einen ersten Augenblick von Immersion. Dieser Prozess ist es, mit dem wir heute die Umwelt photogrammetrieren und als virtuelle 3D verfügbar machen. Er ist Vordenker und der Gegenwart uneinholbar voraus.
Lennart Oberscheidt ist seit Gründung wissenschaftlicher Mitarbeiter und Visual Effects Supervisor am storyLab kiU. Er war an verschiedenen internationalen Kino- und TV-Produktionen als Visual Effects Artist und Supervisor tätig und absolvierte sein Film-Studium an der Fachhochschule Dortmund. Im storylab kiU ist er neben der technischen und kreativen Leitung der Bereiche 3D Animation und Visual Effects ebenso zuständig für die Erschaffung von Echtzeit-Anwendungen wie dem immersiven Raum, Projection Mapping, Virtual Reality-Anwendungen oder interaktiven Installationen.
Nicht nur die praktische Umsetzung von Projekten liegt in seinem Aufgabenbereich, sondern auch die Weitergabe von Wissen und Techniken aus seiner beruflichen Erfahrung an die Studierenden und Mitarbeiter des storyLab kiU. Neben dem storyLab kiU ist er weiterhin im 3D und Filmbereich tätig und hat einen Lehrauftrag für Visuelle Effekte im Bereich Film an der Fachhochschule Dortmund.
Tobias Bieseke ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Fachhochschule Dortmund im storyLab kiU und beforscht die Potentiale von erweiterten Wahrnehmungen und Handlungsräume für die zeitgenössische Kunst. Er experimentiert im Rahmen der künstlerischen Forschung und bewegt sich auf der Schwelle zwischen künstlerischer Anwendung und wissenschaftlicher Untersuchung. Seit 2018 promoviert er an der Kunsthochschule für Medien (KHM) im Bereich der experimentellen Informatik unter Georg Trogemann zu dem Thema Extended Realities – Technisch erweiterte visuelle Wahrnehmung und deren Auswirkungen auf individuelle Handlungsräume in der zeitgenössischen Kunst.
„Fact and Fiction“ sind zwei grundlegende Konzepte, die unterschiedliche Arten von Zuständen, Erzählungen oder Darstellungen beschreiben. In der öffentlichen Debatte werden diese häufig als Gegensätze verstanden, wenn nicht sogar als Kontrahenten. Fakten beziehen sich auf objektiv überprüfbare Wahrheiten. Sie basieren auf Beobachtungen, empirischen Daten und sind durch Wissenschaft, Dokumentation oder zuverlässige Quellen belegbar.
Fiktionen hingegen sind Vorstellungen, erfundene Geschichten oder Erzählungen, die nicht notwendigerweise auf wahren Begebenheiten beruhen. Sie entspringen der Fantasie oder dem Kalkül des Urhebers und enthalten oft Elemente, die von der Realität inspiriert, aber nicht deckungsgleich mit ihr sind, wodurch es in den Medien zu gefährlichen Mischformen kommen kann (z. B. Fake News).
Der Kybernetiker Heinz von Foerster ist jedoch der Ansicht, dass Fakten und Fiktionen eine gemeinsame lateinische Wortwurzel „facere“ teilen (vom lateinischen Verbalsubstantiv „fictio“), was so viel wie „tun oder machen“ bedeutet (KybernEthik, S. 291). Das „Machen“ der Fiktionen ist somit Teil der Gestaltung von Handlungsanpassungen und -zielen. Fakten und Fiktionen stehen demnach in einem dynamischen Verhältnis zueinander und beeinflussen sich gegenseitig. Fiktionen schaffen Fakten und umgekehrt. Doch was bedeutet dies für so unterschiedliche Bereiche wie die Immunologie und die künstlerische Forschung? Entstehen beispielsweise bei der Arbeit an den Mikroskopen künstlerisch-ästhetische Bilddaten? In welcher Weise lassen sich Elemente von Storytelling oder medialer Narration für die Darstellung biomedizinischer Ergebnisse einsetzen? Wo liegen die Grenzen bei der erzählerischen Darstellung von Wissenschaft? Was erzählen uns die immunologische Forschung und ihre Methoden, und welche Erkenntnisse resultieren daraus? Diese Fragen wollen wir in der Science Night am 27.
September 2024 unter dem Fulldome im Foyer des Dortmunder U diskutieren.
Science Night 2024: Immersives 3D-Erlebnis „Die geheime Welt des Immunsystems“
Welche Rolle spielt das Immunsystem bei einem Herzinfarkt? Unser Immunsystem ist ein Mysterium – und das, obwohl wir schon einiges über die körpereigene Abwehr wissen. Noch heute geben viele immunologische Vorgänge der Medizin Rätsel auf. Dazu gehören beispielsweise sterile Inflammationen, also Entzündungsreaktionen ohne direkte äußere Einwirkung. Eine dieser prominentesten sterilen Entzündungen ist der Herzinfarkt. Warum und wie kommt es ohne Erreger wie Bakterien oder Viren überhaupt zu dieser Immunreaktion? Welche Prozesse des Immunsystems laufen bei einem Herzinfarkt ab? Und wie lässt sich mithilfe neuer Erkenntnisse aus der Forschung die Therapie für Patient:innen verbessern?
Bei der Science Night am 27. September 2024 laden das storyLab kiU der Fachhochschule Dortmund und das ISAS von 16 bis 22 Uhr ein, die geheime Welt des Immunsystems zu entschlüsseln. Ziel des dreidimensionalen Erlebnisses in Bild und Klang: Ein Perspektivwechsel, der direkt ins Herz geht. Das Team des storyLab kiU ermöglicht es den Besucher:innen, das Immunsystem nach einem Herzinfarkt außerhalb eines Forschungslabors wahrzunehmen. Das, was sonst nur Forschende etwa mit dem Lichtblatt-Fluoreszenzmikroskop sehen, lässt sich im immersiven Raum im Dortmunder U anhand verschiedener Mikroskop-Aufnahmen aus dem ISAS hautnah erleben: Nach einem Herzinfarkt werden das entzündete Herzgewebe sowie die darin eingewanderten, „übereifrigen“ Immunzellen sichtbar. Mit den Aufnahmen möchten die Wissenschaftler:innen die Immunreaktion bei einem Herzinfarkt und daraus entstehende Folgeschäden verstehen. Ihr Ziel: Mit dem gewonnenen Wissen molekulare Angriffspunkte für Medikamente identifizieren – und damit den Weg für neue Herzinfarkt-Therapien ebnen.
Über ihre Arbeit als Forschende und Künstler:innen möchten die Beteiligten bei der Science Night mit allen Interessierten ins Gespräch kommen. Großen und kleinen Besucher:innen stehen sie nach dem immersiven Erlebnis gerne für Fragen zur Verfügung.
Unter folgendem Link erfahrt ihr mehr zu dem Projekt:
https://immunsystem.storylabkiu.de
https://immunsystem.storylabkiu.de
Über den immersiven Raum im Dortmunder U
Der viermal vier Meter große immersive Raum im Foyer des Dortmunder U besteht aus drei Wänden und einer Bodenfläche, die mittels Hochleistungsprojektoren, Videotechnik, Soundeffekten, Bodyshakern und einer Interaktionssteuerung zu einem eigenen Kunsterlebnis für die Besucher:innen werden. Die Installation erscheint immer dreidimensional, da ein Tracking-System die Position der Person im Raum erfasst und die Projektion perspektivisch anpasst. Dazu erzeugt das 32-kanalige Lautsprechersystem einen immersiven Raumklang, sodass sowohl visuell als auch auditiv mit fast allen Sinnen in ein umfließendes Meer aus Klang- und Bildwelten eingetaucht werden kann. Eine solche Kunstdarbietung ist in NRW einzigartig und ein Experiment. Der Raum ist Teil des vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft geförderten Forschungsprojektes „page21“.