Nadia Kaabi-Linke stellt im MO_Schaufenster aus 

MO_Schaufenster #34: Nadia Kaabi-Linke 
25.08. bis 05.11.2023 
Museum Ostwall im Dortmunder U, Schaufenster, Ebene 5 
Eintritt frei 
Eröffnung am 24. August, 18 Uhr in Anwesenheit der Künstlerin 

 
Nadia Kaabi-Linke (geboren 1978 in Tunis) gibt Erinnerungen und Erzählungen eine Form: In ihren Werken beschäftigt sie sich mit den komplexen materiellen und immateriellen Beziehungen. Orte und ihre lokalen Kontexte und Geschichten werden Teil ihrer Skulpturen und Installationen. Das Museum Ostwall stellt ausgewählte Arbeiten von Nadia Kaabi-Linke vom 25. August bis 5. November 2023 im MO_Schaufenster aus. 


Nadia Kaabi-Linke beschreibt das Unsichtbare als etwas, das Menschen normalerweise nicht wahrnehmen oder dem sie wenig bis gar keine Beachtung schenken. Es besteht aus wertvollen Erinnerungen, vielfältigen Erzählungen oder sozipolitischen Identitäten. Nadia Kaabi-Linke gibt diesen Erinnerungen und Erzählungen in ihren Werken Form. Sie beschäftigt sich mit den komplexen Beziehungen zwischen dem Materiellen und dem Immateriellen. Orte und ihre spezifischen lokalen Kontexte und Geschichten werden Teil ihrer Skulpturen und Installationen. 

Ausstellungsansicht (© Katrin Pinetzki, Stadt Dortmund)


Der häusliche Raum und seine Facetten 


Für die Präsentation für die Schaufenster-Reihe hat Nadia Kaabi-Linke drei Arbeiten ausgewählt, die diese Verknüpfungen aufgreifen. Sie thematisieren den häuslichen Raum mit seinen vielen Facetten: „Color of Time“ (2017 bis heute), „Amina’s Tears“ (2023) und „Das Kapital – Epilogue“ (2020). Alle drei Arbeiten kreisen um das Thema des Hauses als Ort, der Schutz und Vertrautheit spenden kann. Er kann aber auch von gewaltvollen Machteingriffen geprägt sein. Gebäude verbinden das Äußere mit dem Inneren. In den drei Werken geht Nadia Kaabi-Linke u.a. folgenden Fragen nach: Welche kulturellen Einflüsse sind im privaten Zuhause eingebettet? Welche Geschichten können die Farbpigmente an den Wänden erzählen? Wie können Geschichten den Umgang mit Häusern verändern? 


Amina’s Tears 


Die filigrane Arbeit „Aminaʼs Tears“ nimmt als Ausgangspunkt die „Kairo Trilogie“ des Literaturnobelpreisträgers Naguib Mahfouz (1911–2006). In der Trilogie erzählt Protagonistin Amina von der britischen Besatzung zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Ägypten. Porträtiert werden drei Generationen aus dem Palast der Familie Al-Jawad, in der Amina die Rolle des weiblichen Familienoberhaupts einnimmt. 

Kaabi-Linkes Arbeit greift die Figur der Amina auf. Die scheinbar transparenten Glasscheiben und der umkleidete Holzrahmen des Werkes erinnern an Fenster. Doch im Unterschied zu Fenstern offenbaren sich im Zusammenspiel von Licht, Schatten und den Bewegungen der Betrachter*innen die Spuren der Mashrabiya – ein musterdurchzogenes dekoratives Holzgitter, das als Fenstergitter oder Balkonverkleidungen für Wohnhäuser, Moscheen oder Paläste in der traditionellen islamischen Architektur genutzt wurde. Es ermöglicht einen guten Blick meist auf die Straße, ohne dabei gesehen zu werden. Nicht gesehen zu werden kann in der Arbeit von Kaabi-Linke mit der Abwesenheit im öffentlichen Raum gleichgesetzt werden. Aminas Geschichte ist die eines privilegierten, dennoch komplizierten Lebens, das hinter der Mashrabiya sowohl Freude als auch Leid erlebt. 

Color of time 

Die Reihe „Color of Time“ besteht aus monochromen Pigmentgemälden und erzählt die Geschichte von spezifischen Häusern an spezifischen Orten, wie das Oscar-Romero-Haus in Bonn oder das Mystetskyi Arsenal in Kyjiw. Kaabi-Linkes Auseinandersetzung mit den Gebäuden erfolgt durch das Abkratzen der im Laufe der Jahre aufeinander aufgetragenen Farbschichten. Die Künstlerin sammelt diese und zerkleinert sie im Anschluss. Diese Pigmente bilden die Grundlage für die Farbschichten auf den Leinwänden. Jede Leinwand erhält so eine einzigartige Pigmentierung, die das Zeit- und Ortsspezifische des Gebäudes widerspiegelt. Die Geschichten der Gebäude sind unter den jeweiligen Werken beschrieben. 

Das Kapital – Epilogue 

Die raumfüllende Installation „Das Kapital – Epilogue“ verweist auf eine zugleich dramatische und poetische Art auf die Geschichte eines Hauses in Amman, das abgerissen wurde. In Gesprächen mit dem Menschen vor Ort fand sie heraus, dass das Gebäude von der Besitzerin zerstört wurde, da sie daran glaubte, dass unter dem Haus ein Schatz verborgen sei. Übrig blieb vom Haus nur ein rostiger Zaun mit einem Tor, über das sich ein Ast schwingt. Indem Nadia Kaabi-Linke das Tor im Ausstellungsraum rekonstruiert, füllt sie die Ruine mit neuem Leben und reichert sie mit den vielfältigen Geschichten und Mythen an, die sich um den Abriss kreisen. 

Zur Künstlerin: Nadia Kaabi-Linke 

Nadia Kaabi-Linke (Foto: Katrin Pinetzki)

Nadia Kaabi-Linke wuchs in Tunis, Kiew und Dubai auf und studierte an der Tunis School of Fine Arts. Sie wurde in Kunstphilosophie an der Sorbonne Universität in Paris promoviert. Ihre Arbeiten wurden u.a. im Museum of Modern Art und dem Guggenheim Museum in New York, dem Centre Pompidou in Paris und der Sharjah Art Foundation in den Vereinigten Arabischen Emiraten ausgestellt. Nadia Kaabi-Linke erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u.a. den Abraaj Group Art Prize, den Ithra Art Prize, den Francois Schneider Art Prize sowie den Art Basel Discovery Prize. Sie lebt und arbeitet in Berlin und Kiew. 

Autor/in: Katrin Pinetzki