Museum Ostwall im Dortmunder U zeigt Arbeit KIRKPINAR von MO_Kunstpreisträger*in caner teker

Performance und Ausstellung im Schaufenster des MO

Mit dem Ankauf der Performance „KIRKPINAR“ von MO_Kunstpreisträger*in caner teker betritt das Museum Ostwall im Dortmunder U Neuland: Wie sammelt man eine Performance – und wie stellt man sie aus?

MO_Schaufenster #35: KIRKPINAR – Ausstellung zum MO_Kunstpreis für caner teker
21. November 2023 bis 11. Februar 2024
Museum Ostwall im Dortmunder U (Schaufenster), Ebene 5, Leonie-Reygers-Terrasse, 44135 Dortmund
Eintritt frei

Am Sonntag, 19. November, 11 Uhr verleihen die Freunde des Museums Ostwall den 10. MO_Kunstpreis an caner teker. Aus diesem Anlass erwirbt das Museum Ostwall für seine Sammlung die Performance KIRKPINAR, die am Tag der Preisverleihung zwei Mal im MO_Schaufenster realisiert wird. 

Die Performance KIRKPINAR (2022/23)

caner tekers Performance KIRKPINAR (2020/2023), erworben anlässlich des MO_Kunstpreis 2023 
©  spyros rennt

Die 30-minütige Live-Performance KIRKPINAR befasst sich mit der über 750 Jahre alten Tradition des türkischen Öl-Ringkampfes Yağlı Güreş und hinterfragt tradierte Vorstellungen von Männlichkeit: Statt die gewaltsame Seite des Kampfes hervorzuheben, richtet caner teker den Blick auf die mit ihm verbundene körperliche Intimität.

Die Performance zeigt zwei Performer*innen in einem Ring. Sie bandagieren ihre Hände, legen einen Mundschutz an, reiben sich mit Öl ein. Wie in Zeitlupe treffen sie aufeinander: Kraft und Energie, die wechselseitig auf die Körper einwirken, werden sichtbar. Die Überwältigung, das Besiegen des Gegenübers wandelt sich in ein Miteinander, ein gegenseitiges Stützen und Ausbalancieren. Die Verlangsamung des Kampfes enthüllt eine den Berührungen innewohnende Intimität und Zärtlichkeit.

Der muskulöse, durchtrainierte Körper, in der europäischen Kunstgeschichte seit Jahrhunderten als Ideal von Männlichkeit verehrt, erfährt eine neue Lesart, die sich aus westlichen, asiatischen, deutschen, türkischen und nicht zuletzt: queeren Perspektiven speist.

Die Ausstellung

Ein schwarzer Raum, ein vier mal vier Meter großer Ring. Sporthosen, Boxhandschuhe, Handtücher. Es riecht nach Öl. Das Werk caner tekers lässt sich in diesem Raum nur noch erahnen – denn die Performance KIRKPINAR und damit das Kunstwerk, das am 19. November 2023 in die Sammlung des Museum Ostwall eingegangen ist, realisiert sich nur im Moment seiner Umsetzung.

Der Ort der Performance, die verwendeten Requisiten und technischen Geräte, bleiben bis zum 11. Februar 2024 im Ausstellungsraum zurück. Der Ankauf durch das Museum Ostwall und die Ausstellung werfen somit eine wichtige Frage zeitgemäßer Museumsarbeit auf: Wie sammeln Museen immaterielle Kunstwerke wie Performances, um sie für die Nachwelt zu erhalten?

caner teker

caner teker (Jahrgang 1994) ist Überlebende*r Choreograf*in und Künstler*in. tekers Performances umfassen das parasitäre, transformative und autobiografische Erschaffen von Welten. Durch die Manipulation von Raum, Zeit und Körper werden Bilder geschaffen, die persönliche Erfahrungen jenseits von Queerness und postmigrantischer Identität umfassen.

caner tekers Performance KIRKPINAR (2020/2023), erworben anlässlich des MO_Kunstpreis 2023 
©  spyros rennt

teker absolvierte das Studium an der Kunstakademie Düsseldorf und anschließend an der SNDO – School for New Dance Development, Amsterdam. Stipendien und Residenzen erhielt teker vom Ministerium für Kunst und Wissenschaft Nordrhein Westfalen (2020), dem PACT Zollverein, Essen, (2022), von danceWEB (im Rahmen von ImPulsTanz – Vienna International Dance Festival, 2022) sowie von der Kunststiftung NRW und der Kunsthalle Bergen in Norwegen (beide 2023).

2017 erhielt caner teker den Förderpreis für Nachwuchskünstler*innen in Bildender Kunst des Landes Nordrhein-Westfalen und 2020 den Förderpreis für Bildende Kunst der Stadt Düsseldorf. caner teker ist außerdem MO_Kunstpreisträger*in 2023 und ars viva-Preisträger*in 2024.

tekers Performances wurden u.a. in der Kunsthalle Düsseldorf, in der Julia Stoschek Collection (Berlin), im tanzhaus nrw (Düsseldorf) und im HAU – Hebbel am Ufer (Berlin) gezeigt. Darüber hinaus trat teker in der Neuen Nationalgalerie Berlin, im Haus der Kunst (München), im Maxim Gorki Theater (Berlin), im Tanzquartier Wien und bei Radikal Jung im Münchner Volkstheater auf.

Der MO_Kunstpreis

Der MO_Kunstpreis wird einmal jährlich an eine*n Künstler*in verliehen, der/die in der Tradition der Fluxus-Bewegung arbeitet. Der Preis wurde 2014 von den Freunden des Museums Ostwall unter dem Motto „Dada, Fluxus und die Folgen“ ins Leben gerufen, um den Sammlungsschwerpunkt Fluxus im MO zu stärken und um zeitgenössische Positionen zu erweitern. Der Preis ist seitens der Freunde des MO mit 10.000 Euro dotiert, mit denen ein Kunstwerk für die Sammlung des MO erworben wird. Seit 2020 fördert die Stadt Dortmund den Ankauf mit weiteren 10.000 Euro. Anlässlich des 10. Jubiläums präsentieren die Freunde des MO am Sonntag die Publikation „MO_Kunstpreis → Follow me Dada and Fluxus #1 to #10“.

tekers Arbeiten zeigen u.a. Verbindung zur feministische Body Art der 1960er-Jahre, die parallel zur Fluxus-Bewegung entstand und wie diese Performances und Aktionen als Ausdrucksmittel wählte. In der MO_Sammlung sind Vertreter*innen der Body Art kaum vorhanden. caner teker besetzt somit einerseits eine Lücke im Sammlungsbestand und erweitert die in den 1960er-Jahren aufgeworfenen Fragen um zeitgenössische, queere Perspektiven.

Das Begleitprogramm

Freitag, 12. Januar 2024, 18 Uhr: Performance sammeln?

Wie kann eine Performance, die nur durch ihre Aufführung real wird, Teil einer Museumssammlung sein? Was wird archiviert, wenn ein Museum eine Performance ankauft? Wie lässt sich ein Werk, das immateriell und flüchtig ist, für die nächsten Generationen bewahren und pflegen?

Nicole Grothe (Leiterin der MO_Sammlung), Geraldine Rokker (Registrarin am MO) und Lisa Schiller (Restauratorin am MO) sprechen mit den Freunden des Museums Ostwall e.V. (Stifter des MO_Kunstpreises) und dem Publikum über den ersten Ankauf einer Perfomance in der Geschichte des MO und die damit verbundenen Herausforderungen.

©  Katrin Pinetzki / Stadt Dortmund

Donnerstag, 8. Februar 2014, 19 – 21 Uhr: caner teker im Gespräch mit Julia Wissert (Intendantin des Schauspiel Dortmund) und Nicole Grothe (Leiterin der MO_Sammlung)

Welche Rolle spielen anti-rassistische Arbeit und Identitätspolitiken in der Kunst und aktuellen performativen Praxen? Und welche Position nehmen Kulturinstitutionen wie Museen und Theater in diesem Kontext innerhalb aktueller gesellschaftspolitischer Debatten ein? Julia Wissert und Nicole Grothe sprechen mit caner teker über queere und rassismuskritische Aspekte der Performance KIRKPINAR und über die politische Dimension ihrer Arbeit als Kunst- und Kulturproduzent*innen.