© Monica Munoz

kiUTalk!#8 Kinetik & Inkarnation

– Körperarchive: Dynamiken zwischen Einspeichern und Ausleben

Zu Gast ist:

Esther Siddiquie ist Künstlerin, Choreografin und Forscherin. An der Goldsmiths, University of London, schließt sie derzeit ihre Promotion im Programm Advanced Practices ab, in der sie somatische und choreografische Zugänge zum Archiv untersucht. In ihrer künstlerisch-forschenden Praxis setzt sie sich mit Fragen von Erbe, Erinnerung und verkörpertem Wissen auseinander, um dominante koloniale Vorstellungen kultureller Bewahrung zu hinterfragen.

Ihre Arbeiten wurden unter anderem im ICA London, im CAC Vilnius und im Kunstmuseum Bochum gezeigt; ihre Forschung präsentierte sie zudem an der Sainsbury Research Unit. Zweimal wurde sie mit einem DAAD-Stipendium ausgezeichnet, arbeitete zuletzt mit dem Kurator Gee Wesley (MoMA) zusammen und verfasst derzeit ein Kapitel für den Sammelband The Contactless Condition (Open University Press, 2025).

Aktuell widmet sie sich einem familiären Filmarchiv zu UNESCO-Welterbestätten, das sie als Ort migratorischer, transkultureller und postkolonialer Begegnungen versteht und künstlerisch zur Diskussion stellt.

Tobias Bieseke ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Fachhochschule Dortmund im storyLab kiU und beforscht die Potentiale von erweiterten Wahrnehmungen und Handlungsräume für die zeitgenössische Kunst. Er experimentiert im Rahmen der künstlerischen Forschung und bewegt sich auf der Schwelle zwischen künstlerischer Anwendung und wissenschaftlicher Untersuchung. Seit 2018 promoviert er an der Kunsthochschule für Medien Köln (KHM) im Bereich der experimentellen Informatik unter Georg Trogemann zu dem Thema Extended Realities – Technisch erweiterte visuelle Wahrnehmung und deren Auswirkungen auf individuelle Handlungsräume in der zeitgenössischen Kunst.

Vortrag & Gespräch

Ausschnitte aus der Performance re | | mains


Das Projekt Co-Authoring the Archive von Esther Siddiquie untersucht Möglichkeiten, Machtstrukturen innerhalb archivarischer Kontexte zu hinterfragen und alternative Formen des Umgangs mit Archivdokumenten zu entwickeln. Ausgangspunkt ist das Archiv ihres 2018 verstorbenen Vaters, des Dokumentarfilmers Shabbir Siddiquie, das über 1.000 analoge Filmrollen umfasst und UNESCO-Welterbestätten dokumentiert. Dieses Erbe stellt Esther Siddiquie nicht nur vor die Aufgabe der Bewahrung, sondern auch vor Fragen nach der ausschließenden Logik traditioneller Archivpraxis und nach der Notwendigkeit dekolonialer Strategien. Indem sie ihre choreografische Praxis mit dem archivarischen Terrain verknüpft, entwickelt Siddiquie Methoden einer alternativen Archivpraxis. Sie bezeichnet sich selbst als “An Archivist’s Worst Nightmare”, da sie sich bewusst den kategorisierenden Regeln der Archivarbeit entzieht.

Ihr Interesse gilt weniger den sichtbaren Inhalten der umfangreichen Sammlung an Filmobjekten, sondern vielmehr dem, was fehlt: Gesten, Bewegungen, Atmosphären, die sich dem Dokument entzogen haben. Durch körperliche Reinszenierungen, performative Lesungen und experimentelle Arrangements der Filmrollen begibt sie sich auf die Spuren des Unsichtbaren, um dieses als wesentlichen Teil des Archivs erfahrbar zu machen. Dabei verschränkt sie ihre eigene Perspektive und Erfahrung mit dem Werk ihres Vaters. Diese trifft auf dessen eurozentrisch geprägten Blick – als jemand, der in Pakistan European Studies studierte, später an der FH Dortmund Film Design, und mehr als drei Jahrzehnte als Dokumentarfilmer arbeitete.

So versteht Esther Siddiquie das Archiv nicht als neutrale Sammlung von Weltkulturerbestätten, sondern als Produkt einer spezifischen Subjektposition, die an Schnittstellen von Welten entsteht – und zugleich als Ausdruck eines „Soft Power“-Diskurses, der Fragen nach Repräsentation, Macht und kulturellem Erbe neu aufwirft.


kiUTalk! – Über die Veranstaltungsreihe

Der kiUTalk! im Rahmen von Intention:Immersion ist eine Plattform des storyLab kiU für Wissenschaftler, Künstler, Designer und Menschen mit einer besonderen Botschaft, die es ihren Gästen ermöglichen will einem öffentlichem Publikum ihre Erkenntnisse zu zeigen. Dabei passt sich das Format an die jeweilige Situation an, mal als Diskussion, mal als individueller Talk, mal als Performance und mal als themengebundene Vortragsreihe. Dabei ist die Reihe offen für jegliche Form von Thema, wobei sich das storyLab kiU die Kuration vorbehält.

Intention:Immersion ist eine neue Eventreihe, die den Zuschauer*innen ein Eintauchen in die vielschichtige Welt der digitalen Kunst ermöglicht. Die Veranstaltungsreihe bietet Performances, Talks, Installationen, Open Calls, Führungen und Workshops zu digitaler Kunst, die im Fulldome und im Immersiven Raum page21 im Foyer des Dortmunder U stattfinden.