Provenienzforschung
Woher stammen die Kunstwerke in der MO_Sammlung?
Provenienzforschung ist für Museen und Kunstsammler*innen ein wichtiges Feld der Wissenschaft. Provenienzforscher*innen untersuchen, wem oder welcher Institution ein Kunstwerk oder ein Kulturobjekt gehört hat, bevor es ins Museum kam. Die Frage nach der Provenienz eines Kunstwerks ist die Frage danach, „woher es kommt“. Durch das Zusammentragen verschiedener Unterlagen wie Kaufverträge, Inventarbücher, Ausstellungskataloge etc. können Provenienzforscher*innen nachvollziehen, auf welchem Weg ein Kunstwerk durch die Hände verschiedener Besitzer*innen gewandert ist. Außerdem können sie so herausfinden, ob es sich bei den Kunstwerken um Originale der Künstler*innen handelt, die als ihre Urheber*innen genannt werden, oder nicht.
Für uns als Museum ist Provenienzforschung vor allem deshalb wichtig, um festzustellen, ob beim Erwerb unserer Kunstwerke alles mit rechten Dingen zugegangen ist, oder ob jemand Besitzansprüche an eines unserer Werke haben könnte. Denn das Museum Ostwall wurde kurz nach dem Zweiten Weltkrieg 1947 gegründet und sammelt Kunst, die seit 1900 entstanden ist. In der Zeit des Nationalsozialismus (1933-1945) wechselten viele Kunstwerke unrechtmäßig ihre Besitzer*innen: Moderne Kunst wurde als „entartet“ aus Museen, Galerien und privaten Sammlungen beschlagnahmt und verschwand zum Teil oder wurde zerstört. Jüdische Familien wurden per Gesetz enteignet oder unter Druck gesetzt, ihre Sammlungen weit unter Wert zu verkaufen. Viele ließen ihren Besitz auch auf der Flucht vor den Nationalsozialisten ins Ausland zurück. Und nicht zuletzt wurde während des Krieges sogenannte „Beutekunst“ aus den besetzten Gebieten geraubt und verschleppt. Deshalb ist es als Museum sehr wichtig, die Herkunft unserer zwischen 1900 und 1945 entstandenen Kunstwerke genau zu rekonstruieren. Sollte sich dabei herausstellen, dass sich in unserer Sammlung Werke befinden, die während des Nationalsozialismus enteignet oder geraubt wurden, sehen wir es als unsere Aufgabe an, gerechte und faire Lösungen zu finden.
Wie alle öffentlichen Museen der Bundesrepublik Deutschland sind auch wir der Washingtoner Erklärung aus dem Jahr 1998 verpflichtet. Sie wurde im Anschluss an die Washingtoner Konferenz über Vermögenswerte aus der Zeit des Holocaust, an der 44 Staaten, der Vatikan und 12 jüdische Opferverbände und andere nicht-staatliche Organisationen teilnahmen, verabschiedet. Die Erklärung formuliert die Absicht, Kunstwerke, die während des Nationalsozialismus beschlagnahmt wurde, zu identifizieren, ihre Vorkriegseigentümer*innen oder deren Erb*innen ausfindig zu machen und eine „gerechte und faire Lösung“ zu finden. In Deutschland wurde diese Vereinbarung 1999 durch eine selbstverpflichtende „Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“ ergänzt und konkretisiert.
Ergebnisse der bisherigen Forschungsprojekte:
Museum für Kunst und Kulturgeschichte und Museum Ostwall im Dortmunder U: Projekt zur systematischen Überprüfung nach NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut: Erwerbung von Werken der klassischen Moderne bis 1956 und Erwerbung von Grafik des 19. Jahrhunderts bis 1966 (abgeschlossenes Projekt)
Zeitraum: 2018-2021
Kooperationspartner: Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste, Magdeburg
Projekttyp: Langfristiges Projekt zur systematischen Prüfung von Sammlungsbeständen
Inhalt: Das Museum für Kunst und Kulturgeschichte und das Museum Ostwall im Dortmunder U überprüfen systematisch ihre Kunstbestände, die nach 1933 erworben wurden bzw. vor 1945 entstanden sind. Zu diesem Zweck haben die beiden Museen ein Provenienzforschungsprojekt eingerichtet, das vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste, Magdeburg, gefördert wurde. Das Projekt soll offene Fragen in Bezug auf unter nationalsozialistischer Herrschaft enteignete oder geraubte Kunstwerke in den Sammlungen beantworten und gerechte und faire Lösungen finden.
Dr. Leonie Reygers (1905-1985), ehemals Assistentin von Direktor Dr. Rolf Fritz (1904-1992) im Museum für Kunst und Kulturgeschichte, leitete seit 1947 das neu gegründete Museum am Ostwall in Dortmund. Sie erwarb – wie zunächst auch Dr. Fritz im Museum für Kunst und Kulturgeschichte – Kunstwerke der klassischen Moderne. In den 1950er Jahren kam es zur Aufgabenteilung beider Museen: Das Museum für Kunst und Kulturgeschichte sammelt seitdem Kunst und Kunstgewerbe bis 1900 sowie vorgeschichtliche, stadtgeschichtliche und volkskundliche Objekte; das Museum am Ostwall sammelt Kunst ab 1900. Im Zuge der Aufgabenteilung übergab das Museum für Kunst und Kulturgeschichte in den Jahren 1957-1960 Kunstwerke des 20. Jahrhunderts aus seinem Bestand an das damalige Museum am Ostwall (heute: Museum Ostwall im Dortmunder U).
Gegenstand der Forschungen waren 91 Grafiken im Museum für Kunst und Kulturgeschichte sowie 46 Skulpturen und Bildwerke, zwölf Gemälde und 56 Grafiken im Museum Ostwall im Dortmunder U. Es wurden insgesamt 205 Objekte bearbeitet. Das Projekt wurde von der Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste gefördert.